8. Juli 2013 - Versicherer würden berechtigte Leistungen verzögern oder sogar verweigern. Diesem Vorwurf in den Medien setzen Versicherungsmanager in einer GDV-Pressekonferenz entwaffnende Fakten entgegen. Gesetzliche Regeln für eine schnelle Bearbeitung seien überflüssig.
In verschiedene Medien nahmen in den letzten Monaten Berichte überhand, in denen den Versicherungs-Unternehmen Leistungsverweigerung im großen Stil vorgeworfen wurden. Davon aufgerüttelt, hatte sich selbst das BMJ Bundesministerium der Justiz (www.bmj.de) eingeschaltet und die Landesjustizverwaltungen sowie mehrere Verbände um eine Einschätzung zur aktuellen Regulierungspraxis gebeten. Während eines Pressegesprächs des GDV Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de) in Berlin wurden die zentralen Ergebnisse der Stellungnahme an das BMJ vorgestellt. Außerdem berichteten Versicherungsmanager aus der Praxis der Schadenfallbearbeitung und Leistungserbringung.
Dr. Norbert Rollinger (Foto) sagte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des GDV-Hauptausschusses Schaden- und Unfallversicherung im Gespräch mit den Journalisten: „Kein Versicherer kann es sich leisten, seine Kunden im Regen stehen zu lassen. Würden Versicherer systematisch berechtigte Ansprüche verzögern oder gar abweisen, liefen ihnen die Kunden davon." Rollinger, der im Berufsalltag Vorstand der R+V Versicherung AG (www.ruv.de) ist, verwies darauf, dass der GDV in den vergangenen Wochen aktuelle Zahlen und Fakten zum Regulierungsverhalten bei seinen Mitgliedsunternehmen erhoben.
Danach liegen die ausgezahlten Leistungen der Versicherer bei:
- 44 Milliarden Euro für 23 Millionen Schadenfälle in der Schaden- und Unfallversicherung pro Jahr und
- 76 Milliarden Euro für Leistungen in der Lebensversicherung pro Jahr.
Angesprochen auf die Unwetter- und Überschwemmungsschäden vom Mai und Juni diesen Jahres sagte Rollinger: "Alle Versicherer bemühen sich hier sehr intensiv, die fast 200.000 Schäden, über 2 Milliarden Euro Schaden, hier zügig zu regulieren. Wir sind mit vielen Vorschüssen unterwegs, um schnell und unbürokratisch dem Kunden zu helfen. Bei uns gibt's das Geld noch schneller als aus dem staatlichen Hochwasser-Fonds."
Die Schadenbearbeitung hänge natürlich sehr stark an der Komplexität der Schäden. „Ist es ein einfacher Glasschaden, geht's ganz schnell, dann gibt's das Geld auch in ein paar Tagen. Ist es ein komplizierter Schaden mit verletzten Personen, dann kann es natürlich länger dauern. Selbstverständlich müssen wir grundsätzlich bei den Schäden prüfen, ob die Ansprüche berechtigt sind, denn wir handeln ja als Treuhänder, als Verwalter der Versichertengemeinschaft."
Die hohen Zufriedenheitswerte der Kunden und niedrigen Prozess-Quoten belegen, dass die Schaden- und Leistungsbearbeitung gut funktioniert. Für strategische Verzögerungen der Versicherer, wie in den Medien behauptet, gebe es also keine Anzeichen, sagte Rollinger. "Die Versicherer regulieren Schäden ohne unnötige Zeitverzögerung und im Interesse der Beteiligten. Und selbst in den wenigen strittigen Fällen werden fast immer Wege gefunden, die den Belangen aller Beteiligten gerecht werden", so Rollinger. Außerdem betrachte der GDV die Anfrage des Bundesjustizministeriums als Möglichkeit, mehr Transparenz in die komplexe Thematik der Schadenfallbearbeitung zu bringen. Beim Pressegespräch wurden deshalb nicht nur die zentralen Erkenntnisse aus den Zahlen zur Regulierungspraxis der Mitgliedsunternehmen vorgestellt, sondern auch konkrete Beispiele aufzeigt, wie die Schadenbearbeitung in der Praxis funktioniert.
Rüdiger Hackhausen (Foto), Fachbereichsleiter Schaden, Allianz Versicherungs-AG (www.allianz.de) sagte dazu gegenüber Journalisten: „Versicherer helfen den Kunden schnell und unkompliziert. Der Zeitpunkt, an dem der Fall aus Sicht des Kunden zufriedenstellend abgeschlossen ist, ist in der Regel deutlich früher erreicht als das Schließen der Akte durch den Versicherer." Er räumte ein, dass es nicht beeinflussbare Faktoren bei der Bearbeitung von schweren Personenschäden gebe, die vorschnell nach außen wie eine Leistungsverweigerung der Assekuranz aussehen könnte.
Konkret berichtete Hackhausen von einem Autounfall, bei dem ein entgegenkommender Pkw mit dem Wagen einer 45-jährigen Berufstätigen zusammenstieß. Die Angestellte, hier die Versicherungsnehmerin trug schwere Verletzung davontrug - unter anderem ein schweres Schädelhirntrauma und Frakturen an Beinen und Füßen. Der Heilungsverlauf der Verletzungen verzögerte sich. Schließlich stand fest, dass Geschädigte dauerhaft eingeschränkt und erwerbsgemindert bleibt.
Die Sachschadenleistung für das demolierte Auto erfolgte bereits drei Tage nach dem Eingang der Schadenmeldung. Nach einem Monat zahlte der Versicherer eine erste Vorauszahlung für Geltend machen von Schaden-Ersatzansprüche. Es folgten in den nächsten Monaten weitere Zahlungen. Dass es schließlich über neun Jahre dauern sollte, bis alle Zahlungen komplett geleistet wurden, lag an nicht beeinflussbaren Faktoren bei der Bearbeitung. Im speziellen Fall verzögerte fürs erste
- die Beschaffung der Ermittlungsakte,
- die Erstellung ärztlicher Gutachten,
- der langsame Heilungsverlauf und die Stabilisierung des Gesundheitszustandes
die erhoffte schnelle Schadenzahlung. Schließlich verzögerte sich auch
- die Besorgung / Beibringung erforderlicher Unterlagen zum Nachweis des Schadens,
- die Feststellung der Ersatzleistungen durch zuständigen Sozialversicherungsträger sowie
- die Verschlechterung des Gesundheitszustandes und damit Realisierung von zugunsten der Geschädigten vorbehaltenen Spätschäden
- ein zeitnahes Abschließen dieses komplizierten Versicherungsfalles.
Die Schmerzensgeldhöhe von 65.000 Euro leistete der Versicherer vorbehaltlos. Eine monatliche Rente von 500 Euro wurde mit Zukunftsvorbehalt für Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden gezahlt.
Insgesamt dauerte es jedoch mehr als neun Jahre, bis die komplette Kapitalabfindung für Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden mit weiteren 105.000 Euro vorbehaltlos und komplett gelistet werden konnte. Die Verzögerung hatte der Versicherer allerdings wegen der zuvor genannten Gründe nicht zu verantworten. Vielmehr begann er im Jahr, in dem der Unfall sich ereignet hatte, mit laufenden Ausgleichzahlungen.
Das Schadenmanagement vor Ort ist laut Hackhausen - wie jetzt auch die Regulierung der derzeitigen Überschwemmungsschäden zeigt - von weitreichender Bedeutung. Da könnten die Ausschließlichkeits-Vertreter mit ihrem persönlichen Kontakt mit geschädigten Versicherungsnehmern viel erreichen: „In vielen Häusern haben Vermittler auch Regulierungs-Vollmachten", sagte der Allianz-Manager. Kleinere Schäden, die mit Leistungen zwischen 1.000 und 2.000 Euro abgegolten werden können, ließen sich so unbürokratisch und schnell erledigen.
„Kunden sollten im Schadenfall vollständige und plausible Unterlagen ihrem Versicherer vorlegen. Ist das der Fall, kann der Versicherer umso schneller seine Leistung erbringen", sagte dazu Alexander Rettkowski (Foto), Bereichsleiter Leistungs- und Risikoprüfung, Generali Lebensversicherung AG (www.generali.de).
Wenn es aus Kundensicht der Versicherer nach Eingang der Schadenmeldung mit einer sofortigen Begleichung der Ansprüche abwarte, könnte es daran liegen, dass der Fall einer Vortäuschung und Versicherungsbetrug vorliegen könnte. Dem muss die Assekuranz einen Riegel vorschieben. Immerhin könne man von einer Dunkelziffer von bis zu 10 Prozent der jährlich gemeldeten 23 Millionen Schadenfällen ausgehen, die betrügerisch gemeldet würden. Experten rechnen vor, dass dies die Versicherer mehrere Milliarden Euro koste, weil sie häufig Kulanz vor Recht und komplizierter Detektivarbeit ergehen lassen. Alles in allem sei die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung für eine schnelle Schadensachbearbeitung völlig überflüssig. (eb / www.bocquel-news.de)
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