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Konzepte und Kriterien

Staatsanwalt schaltet sich in Schlammschlacht ein

14. November 2013 - Die zunächst gerüchtweise verbreitete Anschuldigung, Vertriebsmitarbeiter der Debeka Krankenversicherungsverein a. G. hätten Adressen angehender Beamter unrechtmäßig gekauft, ist nun auch Sache der Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt. Die Debeka wehrt sich.

DAUMEN nach-untenDie Schlammschlacht ist in vollem Gange. Die Gerüchte verdichten sich, die Anschuldigungen werden konkreter: So wird Mitarbeitern der Debeka Versicherungsgruppe (www.debeka.de) illegaler Datenhandel vorgeworfen. Die Situation spitzt sich zu. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat Ermittlungen gegen diese Unternehmensmitarbeiter und auch gegen Personalverwalter von Behörden eingeleitet. Die Beamten sollen Daten an die Versicherungsvertreter verkauft haben. Das meldete Spiegel online (www.spiegel.de).

Sinnvoller Schritt zur Aufklärung
Die Debeka meldet sich inzwischen wie folgt zu Wort: Die von der Staatsanwaltschaft Koblenz mitgeteilte Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt ist ein weiterer sinnvoller Schritt zur Aufklärung der in den letzten Tagen erhobenen Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Debeka. Die Debeka hat der Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer eigenen intensiven Aufklärungsbemühungen schon Anfang der vergangenen Woche ihre volle Kooperationsbereitschaft zugesichert. Das Unternehmen hat der Staatsanwaltschaft umfangreiche Unterlagen zur Verfügung gestellt und wird die Ermittlungen nach Kräften unterstützen.

 

Wie bereits (...) mitgeteilt, steht die Debeka darüber hinaus in engem Kontakt mit dem Beauftragten für Datenschutz Rheinland-Pfalz (www.datenschutz.rlp.de) und der BaFin (www.bafin.de). Zudem hat das Unternehmen die unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer Überprüfung der unternehmensinternen Prozesse beauftragt.

Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft Koblenz, wo auch der Hauptverwaltungssitz der Debeka ist, besteht der Verdacht, dass Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, insbesondere der Personalverwaltungen Versicherungsvertretern der Debeka-Gruppe gegen Entgelt die Anschrift und weitere persönliche Daten der zur Einstellung in den öffentlichen Dienst vorgesehenen Bewerber mitgeteilt haben. "Diese Daten sollen von den Versicherungsvertretern dazu benutzt worden sein, den zur Einstellung in den öffentlichen Dienst vorgesehenen Bewerbern den Abschluss einer Krankenversicherung und sonstiger Versicherungen anzutragen", heißt es weiter.

Man müsse mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, auch wenn die Staatsanwaltschaft Koblenz zunächst „nur" Ermittlungen gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Bestechung, Bestechlichkeit und der Verletzung von Dienstgeheimnissen eingeleitet habe. Die Staatsanwaltschaft stützt laut Spiegel.de ihren Verdacht auf Strafanzeigen, die zum Teil anonym eingegangen seien, sowie auf Unterlagen, die die Debeka selbst freiwillig zur Verfügung gestellt habe (Aktenzeichen: 2055 UJs 36395/13).

Die Debeka hatte solche Vorgänge aus den achtziger und neunziger Jahren eingeräumt. Sie bezeichnete die Ermittlungen als "sinnvollen Schritt" und sicherte der Staatsanwaltschaft erneut ihre Kooperationsbereitschaft zu. Sie hatte betont, dass sie den Ankauf von Adressen zur Kundengewinnung nie unterstützt habe ("Debeka sagt Bestechung und Korruption Kampf an"). Mitarbeiter hätten die Adressen vielmehr auf eigene Faust beschafft und untereinander verteilt.

Während die Debeka inzwischen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG beauftragte, die Vorgänge zu prüfen, beschäftigt sich auch die Aufsichtsbehörde BaFin auf Bitten der Debeka mit dem Sachverhalt. In der vergangenen Woche hatte eine Sprecherin gesagt, die Behörde gehe den Vorwürfen nach und kläre den Sachverhalt. Gegebenenfalls werde geprüft, ob Maßnahmen auf Basis des VAG Versicherungs-Aufsichts-Gesetzes ergriffen würden.

„Zufriedene Mitglieder werben neue Mitglieder"
Vornehmlich an die Adresse des Handelsblattes und an Sprecher offizieller Institutionen wie Gewerkschaftsbund und Beamtenbund richtete die Debeka ihre Erklärungen, was es mit Tippgebern und anderen Kontaktpersonen auf sich hat, wenn es um die Beschaffung (laut Debeka „Empfehlungen") geht, durch die Neukundenanbahnungen getätigt werden: Bei der Debeka als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der von Beamten für Beamte gegründet wurde, sei es üblich, dass zufriedene Mitglieder auch neue Mitglieder werben. Wörtlich heißt es: Da die Debeka eine offiziell anerkannte Selbsthilfeeinrichtung des öffentlichen Dienstes auf dem Gebiet der Krankenversicherung ist, dürfen Beamte offen und transparent im Einklang mit Paragraph (§) 100 des Bundesbeamten-Gesetzes als so genannte Tippgeber fungieren. Damit widerspricht die Debeka einem Bericht des Handelsblatts, nach dem es sich bei den nebenberuflichen Mitarbeitern um ein „geheimes System von Zuträgern" handele. Die Tippgeber sind Unternehmens-Angaben zufolge „zufriedene Mitglieder der Debeka", die mit dem ausdrücklichen Einverständnis ihrer jeweiligen Dienstherren auf Basis von § 100 des Bundesbeamten-Gesetzes Empfehlungen für potenzielle Neumitglieder geben dürfen.

 

Im Paragraphen 100 des Bundesbeamten-Gesetzes geht es um nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten. Darin heißt es unter anderem, dass „Tätigkeiten zur Wahrung von Berufsinteressen in Gewerkschaften oder Berufsverbänden oder in Selbsthilfeeinrichtungen der Beamtinnen und Beamten" nicht genehmigungspflichtig sind.

 

Was die Tippgeber anbelangt, dürfen sie laut Debeka nicht selbst beraten. Der Paragraph 100 werde allerdings von Bundesland zu Bundesland anders spezifiziert, heißt es. In einigen Bundesländern sei diese nebenberufliche Tätigkeit genehmigungspflichtig. Die Tätigkeit der Tippgeber ist nach Ansicht der Debeka-Verantwortlichen vergleichbar mit Kundenwerbung für Fitnessstudios oder Zeitungsabonnements. Nur im Falle einer erfolgreichen Vermittlung erhält der Tippgeber demnach eine Empfehlungsvergütung.

 

Weiter heißt es in der Mitteilung des Koblenzer Versicherers, dass einige der Tippgeber Beamte sind, andere aber auch nicht. Bei Beamten gehe die Debeka davon aus, dass sie von den jeweiligen Dienstherren vor der Verbeamtung auf Loyalität geprüft wurden. Bei Angestellten fordere das Unternehmen ein polizeiliches Führungszeugnis an. Unterm Strich sei es der Debeka wichtig, dass sämtliche Geschäfte der Debeka auf rechtlich einwandfreiem Boden stehen. „Auch dieser Sachverhalt ist Bestandteil der Verhaltensrichtlinien der Debeka und regelmäßiger Revisionen", wird mitgeteilt.

 

Auch wer kein offizieller Tippgeber ist, könne der Debeka Personen empfehlen, die an Versicherungen Interesse haben könnten, heißt es. Dazu könne eine solche nicht näher benannte Person Empfehlungskarten ausfüllen. (...) Die Empfehlungsgeber erhalten laut Debeka für diesen Hinweis im Erfolgsfall bis zu 15 Euro. Der Betrag würde sich nach den abgeschlossenen Verträgen richten. Dabei sei klar nachvollziehbar, wer jeweils Empfehlungen ausgesprochen hat. Zahlungen würden ausschließlich über die Konten der Debeka erfolgen.

Die Wirtschaftszeitung Handelsblattes (www.handelsblatt.com) hat gestern weitere Recherchen in Sachen Debeka veröffentlicht. Danach soll es ein Netz von mehr als 10.000 Beamten geben, die für die Vermittlung von Versicherungen bezahlt wurden. Über Jahre hinweg sollen demnach weit über 100 Millionen Euro geflossen sein. Als Reaktion auf den neuesten Artikel im Handelsblatt „Debatte über Debeka-Datenhandel - Eher die Hand abhacken, als Adressen verscherbeln" teilte die Debeka mit: Es werde dennoch geprüft, ob das Vorgehen mit den Tippgebern als nebenberuflichen Mitarbeitern angemessen sei (siehe auch nebenstehender Kasten „Zufriedene Mitglieder werben neue Mitglieder"). Die Klärung übernehme die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die bereits mit internen Prüfungen bei den Koblenzern beauftragt worden war.

Laut Handelsblatt zeigte sich der Chef des Deutschen Beamtenbundes (www.dbb.de), Klaus Dauderstädt, über die Vorwürfe entsetzt. „Für Korruption darf es gerade im öffentlichen Dienst kein Pardon geben. Eine widerrechtliche Weitergabe von Personaldaten durch Verwaltungsmitarbeiter gegen Bezahlung ist keine genehmigungsfähige Nebentätigkeit, sondern ein Straftatbestand, der in jedem Einzelfall nachgewiesen und sanktioniert werden müsste."

Weiter heißt es, dass sich nach Einschätzung des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (www.dpolg.de), Rainer Wendt, der Skandal um Datenhandel bei der Debeka Versicherung die Zukunft des gesamten Geschäftsmodells des Unternehmens aufs Spiel setz. „Wenn dahinter sogar ein System mit Tausenden von Zuträgern steht, würde das gesamte Geschäftsmodell der Versicherung infrage gestellt", sagte er dem Handelsblatt. Er selbst sei schon mehrfach von Versicherern nach Adressen gefragt worden, fügte er hinzu. „Aber eher würde sich ein ehrbarer Beamter die Hand abhacken, als dass er Adressen verscherbeln würde."

Die Debeka sei seit Wochen wegen Datenhandel unter Beschuss. Wendt habe gegenüber der Zeitung „fassungslos" reagiert, als deutlich geworden sei, dass Beamte mit Topumsätzen offenbar einen eigenen Klub bekommen haben sollen und zu Reisen eingeladen wurden. „Da tun sich Abgründe auf", wird Wendt wörtlich zitiert. „Man kann nur hoffen, dass diese Reisen nicht in Budapester Thermen gegangen sind." (-el / www.bocquel-news.de)

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