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Pflegebedürftigkeit - Tabu für Vermittler und Kunden?

15. September 2016 - Fast alle wissen es: Pflegebedürftigkeit kann jeden treffen. Beim PKV-Forum 2016 wurde erneut deutlich, dass trotz des Bewusstseins um menschliche und finanzielle Pflegenöte Viele das Gespräch um helfende Versicherungslösungen scheuen. Pflegezusatzversicherungen werden kaum gekauft.

„Eine Marktdurchdringung von gerade mal 4 Prozent bei Pflegezusatzpolicen ist kein Ruhmesblatt“, sagte Christoph Helmich, Vorstandsvorsitzender im Continentale Versicherungsverbund (www.continental.de) am Dienstag in Köln. Beim PKV-Forum, das der Versicherer nun schon zum 16. Mal veranstaltete, stand ganz im Zeichen der Pflegebedürftigkeit. Analysen zur Art der Pflegemöglichkeiten – durch helfende Hände zu Hause und im Heim sowie die finanziellen Gegebenheiten lieferte zeitgleich die alljährliche Studie der Continentale Krankenversicherung a.G. In diesem Jahr werden darin Fakten zur Pflegebedürftigkeit und über den Personenkreis der pflegenden Angehörigen und der in Pflegeberufen Tätigen präsentiert. Überall laufen die Kosten davon. Die im Jahr 1995 eingeführte gesetzliche Pflegeversicherung sei bestenfalls als eine Teilkaskoversicherung anzusehen, die zum Beispiel bei stationärer Pflege höchstens die Hälfte der Kosten deckt. Obwohl der Bedarf für private Pflegezusatzversicherungen immens ist, klagen die Versicherer über eine eher schleppende Nachfrage und zähen Verkauf.

In großer Runde wurde über „Pflege im Fokus – Entwicklungen und Impulse“ diskutiert. „Pflegebedürftigkeit ist der Preis, den wir für ein langes Leben bezahlen.“ Diesen Satz schickte Dr. Ralf Suhr als Chef des Zentrums für Qualität in der Pflege dem Meinungsaustausch voraus.

Weil nicht nur die Kunden davor zurückscheuen, sich mit einer möglichen Pflegebedürftigkeit auseinanderzusetzen, sondern auch das Gros der Vermittler beim Kunden lieber über andere, angenehmere Themen reden, könnte man hier nach Auffassung von MLP-Vorstand Manfred Bauer von einer „doppelten Verdrängung“ sprechen. Es sei den meisten bewusst, dass fast jeder pflegebedürftig werden könnte, und dass das Geld kostet. Aber man schiebe diese Gedanken nur zu gern beiseite. Das treffe dann insbesondere auch auf die Jüngeren zu. Gespräche über Pflegebedürftigkeit werden nur zu gern auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Im Beratungsgespräch gebe es noch viele andere Policen, die mit positiveren Bildern und Assoziationen verbunden sind und auf die man lieber ausweicht. „Die Bilder, die im Kontext der Pflege auftauchen, sind unangenehm“, sagte Bauer.

Dennoch würden viele Kunden positiv reagieren, wenn sie vom Vermittler auf die Pflegezusatzversicherung angesprochen werden, behauptete der MLP-Vorstand. Interessant sei, dass Kunden häufiger Policen nicht für sich selbst sondern für ihre Eltern abschließen wollen. Sie sind sich bewusst, dass sie selbst nicht in der Lage sein werden, im Ernstfalle sich ausreichend um die Pflege ihrer Eltern kümmern zu können. Der Finanzvertrieb erzielt laut Manfred Bauer bei den Pflegezusatzversicherungen eine Abschlussquote von 7 bis 8 Prozent, also eine doppelt so hohe Quote wie der Markt. Bauer: „Aber auch das ist herzerfrischend schlecht.“

Seit Kurzem eine „enorme Dynamik“
In der letzten Zeit habe es zwar eine „enorme Dynamik“ gegeben, dennoch laufe Geschäft mit den Pflegepolicen nicht so gut, wie es laufen sollte, sagte auch PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach. Er berichtete, dass in den vergangenen vier Jahren 400.000 klassische Zusatzpolicen neu abgeschlossen wurden. Dazu kommen 700.000 geförderte Policen – im Volksmund als „Pflege-Bahr“ bekannt, die seit 2013 im Markt sind. „Das ist weniger, als ursprünglich geplant war – selbst beim PKV-Verband“, betonte Leienbach. Bereits für das Jahr 2014 hatte der PKV-Verband den Verkauf von einer Million „Pflege-Bahr“-Policen als Zielmarke genannt. Diese Zahl habe sich bis heute nicht realisieren lassen.

In der bisher noch geringen Marktdurchdringung der Pflegezusatzpolicen sieht der PKV-Forums-Gastgeber Helmich eine Herausforderung: „Das ist ein Auftrag und eine Chance für Vermittler.“ Die gesetzliche und die private Pflegeversicherung seien immer als Teilkostenversicherung angelegt gewesen. Das werde sich auch mit den neuen Pflegestärkungsgesetzen nicht ändern.

Ihm sei auch bewusst, dass im Fall der Pflegebedürftigkeit nicht nur das Geld eine Rolle spiele. Zuwendung sei genauso notwendig. Man müsse auch als Versicherer Ansprechpartner und Beratung, wie beispielsweise für eine Krisenintervention anbieten. „Wir brauchen begleitende Assistanceleistungen“, sagte der Continentale-Chef.

„Pflegende Angehörige: zwischen Erschöpfung, Liebe und Pflichtgefühl“
Ein Blick in die Continentale-Studie 2016 „Pflegende Angehörige: zwischen Erschöpfung, Liebe und Pflichtgefühl“ unterstreicht das Gesagte. Die Analysten fassten zusammen, dass mehr als zwei Drittel aller Menschen, die in Deutschland einen Mitmenschen pflegen oder betreuen, sich durch die Aufgabe stark belastet fühlen. Die häufigsten negativen Auswirkungen sind demnach: körperliche und emotionale Erschöpfung sowie die Vernachlässigung eigener Bedürfnisse. Bundesweit waren für die Studie der Continentale Krankenversicherung 1.000 Bundesbürger befragt worden, die jemanden privat pflegen oder betreuen.

Belastung steigt mit Pflegestufe
Im Detail fühlen sich 23 Prozent sehr stark belastet, 48 Prozent stark. Unter den Befragten, die sich um eine Person mit der Pflegestufe 3 kümmern, sind sogar 36 Prozent sehr stark belastet. Gar keine Belastung empfinden nur 5 Prozent aller Befragten. Nur 31 Prozent der Pflegenden sagen, sie würden ihrer Aufgabe auf jeden Fall gerecht.

Im Ergebnis kommen die Analysten zu dem Schluss, dass dies alles viele negative Folgen hat: 63 Prozent der Befragten fühlen sich demnach körperlich erschöpft, 62 Prozent emotional und seelisch. 60 Prozent der Pflegenden sagen, sie würden ihre persönlichen Bedürfnisse vernachlässigen. 43 Prozent fühlen sich bei der medizinischen Versorgung überfordert. Rund ein Drittel berichtet von negativen Auswirkungen auf den Beruf und von finanziellen Nachteilen.

80 Prozent der Personen, die von den befragten Studienteilnehmern gepflegt oder betreut werden, haben eine Pflegestufe. Dabei pflegen 55 Prozent die Eltern oder Schwiegereltern und 14 Prozent den Partner. 38 Prozent werden bei ihrer Tätigkeit durch einen Pflegedienst unterstützt, während 27 Prozent völlig allein pflegen. 60 Prozent der Befragten sind Frauen.

Die Continentale-Studie erscheint jährlich und ist eine Untersuchung der Continentale Krankenversicherung a.G. in Zusammenarbeit mit TNS Infratest. Die komplette Studie kann kostenlos unter www.continentale.de/studien abgerufen werden. (db-eb / www.bocquel-news.de)

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