20. Januar 2014 - Die Haftpflichtversicherer sehen sich vor großen neuen Herausforderungen in Bezug auf ihre Produktentwicklung. Beim Branchen-Treff zur 16. Euroforum-Jahrestagung in Hamburg ging es um E-Mobilität, Cyberrisks und steigende Compliance-Anforderungen.
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Podiumsdiskussion bei der Euroforum-Haftpflicht-Tagung: (v.l.n.r.) Georg H. Fülles, Thomas Fausten, Carsten Krieglstein, Jörg Bechert, Moderator Herbert Fromme und Hans-Jürgen Allerdissen (Foto: M. Hergenröder / Euroforum) |
Die Branche bleibt in Bewegung. Das spüren besonders die Haftpflichtversicherer. Nicht nur Umweltrisiken, sondern auch neue politische Entscheidungen setzen die Assekuranz in Zugzwang. Versicherungsschutz sei eben nichts Statisches, hieß es während einer Podiumsdiskussion bei der 16. Euroforum-Jahrestagung „Haftpflicht 2014" (www.euroforum.de) in Hamburg. Innovationen seien gefragt, doch schwer zu entwickeln, will man allen Auflagen gerecht werden. Die inzwischen besser aufgeklärten Versicherungsnehmer überprüfen ihre Versicherungs-Policen sorgfältiger als früher, was allein schon durch veränderte Versicherungsbedingungen angesagt sei.
Auch die Versicherer sitzen nicht untätig herum, sondern entwickeln und prüfen mögliche Innovationen, die es in kleinen Schritten immer wieder gebe. Allerdings sei es mit der zwanzigsten ergänzenden Assistance-Leistung nicht getan. Carsten Krieglstein, Head of Liability & Central Europe bei der AGCS Allianz Global Corporate & Specialty (www.agcs.allianz.com) berichtete, dass sein Unternehmen hier Einiges in der Pipeline habe; allerdings schlage nicht jede Neuerung erfolgreich ein. Mit einer eigenen Solarversicherung habe man gründlich Lehrgeld zahlen müssen, als der Solar-Markt hierzulande gewaltig ins Schlingern geriet.
Umwelt- und Naturkatastrophen bleiben Thema Nummer 1
Das Thema Umwelt bleibt für die Versicherer, und speziell für die Haftpflichtversicherer weiterhin eines der wichtigsten Themenbereiche. Auch wenn die Naturkatastrophen allein im vergangenen Jahr schadenmäßig alle Rekorde gebrochen habe, so seien die Versicherer einigermaßen gut dabei weggekommen und hätten immer noch Gewinne eingefahren. Inzwischen zeige es sich jedoch auch, dass die Prämien mit weniger als 5 Prozent der Versicherungssumme zu niedrig angesetzt seien; doch auch die Schaden-Quoten mit geschätzten 10 bis 15 Prozent würden im Endeffekt sicherlich höher liegen. Während bei den Umweltkatastrophen in Asien und Amerika die angefallenen Schäden öfter nicht versichert waren, kam die Branche hier häufig „mit einem blauen Auge" davon.
Noch nicht erfasst habe die Assekuranz zukünftige Risiken wie etwa das Fracking oder die Offshore-Gewinnung der Windenergie. Lutz Torbohm, Leiter Konzernkunden Haftpflicht der AIG Europe - Direktion für Deutschland (www.aig.de) geht davon aus, dass sich hier bald etwas am Markt in Sachen neuen Policen tun werde, zumal die Bundesregierung weiterhin an ambitionierten Zielen für die Energiewende festhalte. Deutschland stehe der Fracking-Technologie eher ablehnend gegenüber und setze im Bereich der erneuerbaren Energien verstärkt auf die sogenannte Offshore-Windkraft.
Kaum verwertbare Vergangenheitsdaten
Ein großes Problem bestehe für die Versicherer darin, dass es hier kaum verwertbare Vergangenheitsdaten zur Berechnung künftiger Werte gebe. Als Beispiel wurde dazu die sich ständig vergrößernde Nabenhöhe, der Rotordurchmesser sowie der wachsende Megawatt-Leistung bei der Onshore-Windkraft genannt. Erfahrungswerte gebe es also so gut wie keine, was die Arbeit der Versicherungsmathematikern und -Techniker sehr erschwere. Hinzukomme, dass die deutschen Windparks im Meer in großer Entfernung zur Küste geplant sind, so dass auch die Erfahrungswerte der bisherigen küstennahen Standorte nicht 1:1 übertragen werden könnten.
Industriehaftpflichtversicherer vor neuer Herausforderung
Anderes Thema, neuer Vortrag: Thomas Zanner, Regional Underwriting Manager International Casualty Insurance bei der XL-Group (www.xlgroup.com), griff die Problematik und Herausforderung auf, die für die Industriehaftpflichtversicherer von der mittelständisch geprägten Automobilzulieferindustrie ausgehe. Die Konkurrenz aus Asien und Lateinamerika wachse unaufhörlich, so dass sich auch die Märkte zunehmend dorthin verlagerten. „Follow your customer!" müsse die Devise lauten, zumal der Zukunftsmarkt China großes Potenzial auch für die Haftpflichtversicherer bedeute.
Alles in allem würde die Herausforderung in vielerlei Hinsicht steigen, was die lokale Entwicklung, aber auch den technologischen Fortschritt anbelange. E-Mobilität, Cyber-Risiken und steigende Compliance-Anforderungen seien hier als Stichworte an erster Stelle zu nennen.
Der ständige Dialog zwischen Produktentwicklern, Versicherern, Vermittlern und Kunden sei unverzichtbar. Das wurde auch beim Themenkreis „Cyber-Risiken, das lange unterschätzte Emerging Risk" deutlich. Dietrich Winter (Foto: M. Hergenröder / Euroforum), Prokurist der Allcura Versicherungs-AG (www.allcura-versicherung.de), verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass dies beispielsweise das Ende traditioneller Versicherungslösungen bedeuten könne, weil sie durch neue Modelle ersetzt werden müssten. Er sprach davon, dass das sogenannte Cloud-Computing als neuer IT-Trend gelte. Doch längst würden sich noch aktuellere Trends abzeichnen, wie die Verknüpfung von Maschine und Mensch oder das Internet der Dinge im Rahmen von Industrie 4.0. Ganz neue Gefahren wie Datendiebstahl und/oder Vortäuschung falscher Identitäten sowie Hacker-Shitstorms könnten kaum noch als traditionelle Haftpflicht-Risiken bezeichnet werden. Die Internet-Dienstleister müssten sich trotzdem damit auseinandersetzen, weil es in die Segmente Störungs-, Sicherheits- und Medien-Risiko gehören.
Es stelle sich die Frage, ob eine Trennung zwischen Vermögens- und Sachschäden überhaupt noch sinnvoll sei. Könnte eine offene Deckung ohne detaillierte Einschränkungen für IT-Dienstleister künftig nicht viel besser passen? Mit der neuen Police „IT-Schutzschirm Plus" hatte die Allcura Versicherungs-AG bereits im September 2013 eine kombinierte Berufs-, Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflicht-Versicherung für Unternehmen und Freelancer der IT- und Telekommunikations-Branche auf den Markt gebracht, die den neuen Anforderungen umfassender entspreche ("Neuer IT-Schutzschirm mit besonders vielen Facetten").
Volker Ebert (Foto rechts: M. Hergenröder / Euroforum), Geschäftsführer der Martens & Prahl Versicherungskontor GmbH (www.martens-prahl.de), sah die Schwierigkeiten in Sachen Cyberrisk-Policen ambivalent, mehrdeutig. Es gebe zu wenig Risikoträger und nicht genügend schlanke, transparente und gute Deckungskonzepte. Makler seien auf schlanke und vor allem transparente Deckungskonzepte angewiesen, damit sie ihren Kunden umfassend und zufriedenstellend beraten könnten. Das Thema stelle ein sehr, sehr hohes Risiko in der Beratung dar. Das sollten sich die Versicherer laut Ebert nicht aus der Hand nehmen lassern. Der jetziger Status der Cyberrisk-Lösungen sei mit den Anfangsschwierigkeiten bei der Einführung der D&O-Policen im deutschen Markt zu vergleichen. Ebert hofft, dass letztendlich die Cyber-Policen eine ähnlich erfolgreiche Entwicklung nehmen würden. (-el/db / www.bocquel-news.de)
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