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Großeinsatz: GDV und Kripo auf den Spuren der Mafia

6. Dezember 2018 - Mit einer Groß-Razzia gingen gestern Ermittler in Deutschland, Italien, den Niederlanden und Belgien gegen die Italo-Mafia-Organisation Ndrangheta vor – hauptsächlich wegen Mord, Erpressung und Geldwäsche. Zu den Geldquellen zählt aber auch laut GDV der Versicherungsbetrug von jährlich 5 Milliarden Euro.

Großeinsatz der Polizei gegen die Mafia – gestern Morgen: Insgesamt wurden 90 Personen festgenommen, twitterte die italienische Polizei. Ihnen würden „schwere Straftaten“ wie Drogenhandel, Geldwäsche und die Zugehörigkeit zu einer Mafiaorganisation vorgeworfen. Der leitende niederländische Staatsanwalt Fred Westerbeke teilte dazu mit, dass rund 2 Millionen Euro Einnahmen aus Straftaten sowie Drogen beschlagnahmt wurden - darunter 4.000 Kilogramm Kokain und 140 Kilogramm Ecstasy-Pillen.

Hierlande durchsuchten Hunderte Polizisten unter der Führung des Bundeskriminalamts seit den frühen Morgenstunden Restaurants, Büros und Wohnungen, die der Mafia zugerechnet werden. Schwerpunkt der Aktion war Nordrhein-Westfalen, wo die Mafia traditionell stark vertreten ist. Weitere Durchsuchungen gab es in Thüringen und Berlin; und – wenn wundert es, gehörten auch Italien und Spanien dazu. Es ging um Mord, Erpressung, Geldwäsche, illegale Verschiebung von Müll und vieles mehr. Wobei man nicht vergessen darf, dass die mafiösen Strukturen und Geldquellen auch Versicherungsbetrug beinhalten.

„Versicherungsbetrug gehört mittlerweile zum Instrumentenkasten des organisierten Verbrechens“, sagt Kurt Werling, Fachanwalt für Versicherungsrecht aus Ludwigshafen. Er nennt dazu ein Beispiel aus der Gastronomie: Erst brannte die Pizzeria und nur gut eine Woche später wurde dort auch noch eingebrochen. Das klingt nach einer echten Pechsträhne für den Besitzer – zumal ihm nur vier Jahre zuvor beides schon einmal widerfahren war. Doch das Unglück hatte Methode: Brand und Einbruch waren fingiert oder wurden vorsätzlich herbeigeführt, die Versicherung soll dann für den Schaden zahlen, während vor den Auftragstaten die Wertsachen längst in Sicherheit gebracht worden waren.

Mit solchen Tricks versuchen kriminelle Banden immer wieder, die Assekuranz zu prellen. Den Pizzeria-Besitzer mit der Pechsträhne kennt Werling gut: Als Anwalt, der Versicherer vertritt, hatte er bereits öfter damit zu tun. Seit 1992 war derselbe Pizzeria-Besitzer bereits an mindestens 14 gestellten Verkehrsunfällen beteiligt, im Jahr 2000 wurde er deshalb zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt – auf Bewährung wegen einer günstigen Sozialprognose.

Seit den 1980er zählt Versicherungsbetrug zur Masche der Mafia
„Bereits in den 80er-Jahren haben sich Kriminelle aus den Mafia-Hochburgen in Kalabrien und Sizilien auch bei Versicherungsgesellschaften eine Geldeinnahmequelle von erheblicher Bedeutung verschafft“, sagt Wolfgang Rahm, Mafia-Experte beim Landeskriminalamt in Stuttgart. Meist gehe es um vorgetäuschte Autodiebstähle, fingierte Verkehrsunfälle oder selbst verursachte Brandschäden, die vom Versicherer reguliert werden sollen.

In einem Bericht des Landeskriminalamts Baden-Württemberg heißt es bereits im Jahr 2000: „Die Auswertungsergebnisse lassen den Schluss zu, dass sich mutmaßliche Mitglieder italienischer krimineller Vereinigungen enorme Einnahmequellen erschlossen haben, indem sie vorsätzlich Brandversicherungsfälle herbeiführen.“ Auch fingierte Einbrüche, bei denen die vermeintlich wertvolle Beute bereits Tage zuvor anderswo untergebracht wurde, sind eine Methode organisierter Krimineller. In der Kfz-Versicherung werden häufig von Mafiosi Autos als gestohlen gemeldet, die sie selbst ins Ausland gebracht haben.

Betrug ist oft schwer nachzuweisen
Wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de) mitteilt, folgt die Präferenz für den Versicherungsbetrug einer nüchternen Abwägung: Gegenüber dem Banküberfall ist der Betrug weniger riskant, die Strafen sind vergleichsweise mild. „Die Kriminellen suchen sich Taten aus, die bei relativ geringem Risiko hohe Gewinne versprechen“, erklärt Rahm. So hat der Pizza-Gastronom aus der Nähe von Ludwigshafen laut Anwalt Kurt Werling einen Gesamtschaden von 300.000 Euro geltend gemacht. Dazu kommt der Schaden am Haus, den die Gebäudeversicherung des Hauseigentümers zusätzlich übernahm.

Die Betrugsbekämpfung bei solchen Schäden ist für Versicherer sehr aufwendig. Ihr Problem: Sie müssen den Betrug belegen, was in der Praxis sehr schwer fällt. „Die Täter sind absolute Profis“, sagt Peter Holmstoel vom GDV. Bei einem Brand entstehe nachweislich ein Schaden. Es sei aber schwer vor Gericht nachzuweisen, dass es eben der Versicherungsnehmer war, der den Brand in Auftrag gegeben und so vorsätzlich den Schaden herbeigeführt hat. Während sich der Verdacht bei amateurhaften Ersttätern recht schnell mit handfesten Beweisen erhärte, seien die Kriminellen aus dem Mafia-Milieu viel professioneller. Kommissar Rahm formuliert es mit einem Fußball-Bild: „Die spielen Champions League.“

Banden verursachen hohe Einzelschäden
Durch Versicherungsbetrug entsteht den deutschen Versicherern jedes Jahr ein Schaden von schätzungsweise bis zu 5 Milliarden Euro. Die Masse entfällt auf alltägliche, unscheinbare Betrügereien im privaten Bereich. Die Zahl der organisierten Betrüger ist vermutlich verschwindend gering, ihre Taten fallen aber durchaus ins Gewicht. „Die wenigen Personen betreiben das beinahe gewerbsmäßig und verursachen hohe Einzelschäden“, sagt Holmstoel.

Für den Pizzabäcker in Rheinland-Pfalz riss nach mehreren Betrugsfällen die Glückssträhne ab: Als er seiner Kfz-Versicherung abermals einen Diebstahl anzeigte, weigerte sich diese zu zahlen, und ließ es auf einen Prozess ankommen. Auch in zweiter Instanz glaubte das Gericht nicht daran, dass das Auto überhaupt gestohlen worden war. Ein kleiner Etappenerfolg für den Versicherer. Doch strafrechtlich belangt wurde der Pizzabäcker auch danach nicht.

Fund von massenweise Kokain im Pferdetransporter
Wie die Nachrichtenagentur dpa gestern meldete, sind die deutschen Ermittler nach eigenen Angaben auf die Spur mutmaßlicher Mafia-Mitglieder durch den Fund von massenweise Kokain in einem präparierten Pferdetransporter gekommen. Der Transporter sei vor zwei Jahren im britischen Fährhafen Harwich sichergestellt worden. Den mutmaßlichen Mafiosi werden bisher mindestens 23 solcher Transporte von jeweils 80 Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach England zur Last gelegt, wie die Kölner Polizei mitteilte.

Auch 14 Tatverdächtige festgenommen
Das BKA Bundeskriminalamt berichtet außerdem, dass gestern in Deutschland auch 14 Tatverdächtige festgenommen wurden. Die Arbeit der Versicherungs-Schaden-Experten hat hier noch einen großen Brocken Arbeit vor sich. (-el / www.bocquel-news.de)

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