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EKG-Check: Verfall der Zinsen erschwert Garantie

30. November 2020 - Auf den ersten Blick erscheint es paradox: Die extremen Zinsbedingungen verschaffen den Lebensversicherern mehr Handlungsspielraum bei der Ausfinanzierung ihrer Zinszusatzreserve. Zu diesem Ergebnis kommt die Assekurata bei ihrem Ertragskraft-Garantie-Check (EKG-Check), den sie aktuell zum fünften Mal erstellte.

Die neuerliche Talfahrt der Zinsen, wodurch die Bewertungsreserven in den Handelsbilanzen wieder gestiegen sind, macht sich bei den Lebensversicherern und ihrer Ertragskraft-Garantie beziehungsweise beim LV-Handlungsspielraum bemerkbar. Das stellten die Analysten des Ratinghauses Assekurata (www.assekurata.de) bei ihrem jüngsten EKG-Check fest.

Langfristig ist die Zinsentwicklung aber herausfordernder denn je, heißt es bei der Kölner Assekurata. Die Rating-Agentur hatte zahlreiche Kennzahlen zu Ertrag, Sicherheit und Beständen von 70 Lebensversicherungsunternehmen untersucht.

Erst die Hälfte der ZZR-Strecke geschafft
Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 sind die Zinsen an den Kapitalmärkten wieder auf historische Niedrigstände gesunken. Zwischenzeitlich aufkeimende Hoffnungen auf steigende Zinsen erhielten damit einen massiven Dämpfer. Selbst Bundesanleihen mit 30-jähriger Laufzeit notieren mittlerweile im negativen Bereich. „Die Corona-Hilfspakete von Staaten und europäischer Zentralbank drücken die Zinsen nach unten und zementieren sie auf Rekordtiefstständen“, kommentiert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. Seiner Meinung nach setzt dies die Lebensversicherer unter Zugzwang, da sie auch unter diesen schwierigen Bedingungen die Garantieversprechen bedienen und darüber hinaus umfangreiche Zinszusatzreserven (ZZR) stellen müssen.

Zu Jahresanfang hatte das Ratinghaus Assekurata prognostiziert, dass die Lebensversicherer der ZZR in diesem Jahr zwischen 9 und11 Milliarden Euro zuführen müssen. „Angesichts des erneuten Zinsverfalls seit Ausbruch der Pandemie gehen wir nun vom obere Ende dieser Spanne aus“, schätzt Heermann und verweist auf den diesjährigen Referenzzins von 1,73 Prozent (Vorjahr: 1,92 Prozent), an dem sich die Lebensversicherer bei der Nachreservierung orientieren müssen.

Um diese 11 Milliarden Euro an ZZR-Zuführungen zu finanzieren, müssen die Unternehmen aus ihren Kapitalanlagen einen Nettozins von gut 1 Prozent erwirtschaften, zusätzlich zu den Erträgen zur Bedienung der eigentlichen Garantieverpflichtungen.

Viel schwerer wiegt aber demnach der langfristige Aufbau der ZZR, den die Analysten in der EKG-Studie für verschiedene Szenarien errechnet haben. Geht man von anhaltenden Nullzinsen aus, steigt der Reservetopf bis 2030 voraussichtlich auf ein Gesamtvolumen von knapp 170 Milliarden Euro. In Summe wären dies laut Assekurata 15 Milliarden Euro mehr als bei den letzten Hochrechnungen zum Zinsniveau am Jahresanfang. „Mit dem Ende 2020 aufgebauten ZZR-Bestand von rund 85 Milliarden Euro hätten die Lebensversicherer also in diesem Szenario gerade einmal die Hälfte der Strecke geschafft“, rechnet Lars Heermann vor. „Der Weg zur Ausfinanzierung ist damit weiter als gedacht.“

Anhand dieser Entwicklungen werde deutlich – so die Assekurata Analysten, dass der positive Effekt aus der 2018 eingeführten Korridormethode, mit der die Aufbaugeschwindigkeit der ZZR gedrosselt werden sollte, vom negativen Zinstrend nivelliert wird. Aus Sicht der Kölner Analysten ist daher ein sorgfältiges Ertragsmanagement wichtiger denn je. Insoweit untersucht der EKG-Check, inwieweit die Lebensversicherer mit ihren Erträgen in der Lage sind, die Rechnungszinsen, also die Garantien und ZZR-Zuführungen, zu finanzieren.

In der aktuellen Studie hat die Assekurata feststellt, dass die EKG-Quote 2019 im Marktdurchschnitt mit 512,49 Prozent um fast 100 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist. Dies bedeutet, dass das Ertragsvolumen der Branche im Extremfall ausreicht, um die Rechnungszins-Anforderungen im Geschäftsjahr 2019 mehr als fünf Mal zu finanzieren. „Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr ist maßgeblich auf die gesunkenen Zinsen und den daraus resultierenden Anstieg der Bewertungsreserven in den HGB-Bilanzen zurückzuführen“, sagt Lars Heermann. Demnach gehen sie definitionsgemäß zu 50 Prozent in die EKG-Quote ein und waren bereits in den vergangenen Jahren die wesentliche Finanzierungsquelle der Lebensversicherer für die notwendigen ZZR-Zuführungen.

Für den weiteren ZZR-Aufbau in der Zukunft ist zu berücksichtigen, dass sich der Effekt gesunkener Zinsen schneller in den Bewertungsreserven niederschlägt als in der Zinszusatzreserve. Während der Referenzzins methodisch über mehrere Jahre in einem definierten Korridor bestimmt wird, wodurch sich die ZZR-Zuführungen vom aktuellen Marktzins entkoppeln, steigt der Marktwert von festverzinslichen Wertpapieren bei sinkenden Zinsen unmittelbar an, was in hohen bilanziellen Bewertungsreserven resultiert.

Die Assekurata-Abbildung illustriert hier die unterschiedliche Zinsauswirkung zu den Bilanzstichtagen auf Grundlage der bisherigen Historie der ZZR und des zugehörigen Bezugszinssatzes (zehnjährige Null-Kupon-Euro-Swaprate). Anhand der 2019 stark gestiegenen Bewertungsreserven wird demnach deutlich, dass sich die Finanzierungsbedingungen für die ZZR mit dem drastischen Zinsrückgang zunächst sogar verbessert haben. Immerhin können die Lebensversicherer durch die Auflösung von Bewertungsreserven ihre ZZR-Zuführungspflicht bedienen, indem sie vorhandene festverzinsliche Anlagen aus ihren Kapitalanlagebeständen zu aktuell höheren Anleihepreisen veräußern.

„Wenn die Bezugszinsen in den kommenden Jahren dauerhaft am Nullpunkt oder sogar darunter liegen, sehen wir in der kurzen Frist keine Gefahr für die Lebensversicherer“, betont Lars Heermann. „Dies sieht allerdings anders aus, wenn die Zinsen langfristig wieder steigen sollten und dann zu wenige Bewertungsreserven zur Deckung der ZZR-Zuführungen vorhanden sind.“

Mehr Zeit beim Umbau der Geschäftsmodelle
Um dieser Bedrohung entgegenzuwirken, kommen die Lebensversicherer aus Sicht der Assekurata nicht umhin, ihr Geschäftsmodell konsequent auf garantieärmere Produkte im Neugeschäft umzustellen, wie es bereits auch der Marktführer Allianz zum kommenden Jahreswechsel angekündigt hat. Auch die Finanzaufsicht BaFin hat in jüngster Zeit zu einer höheren Sorgfalt bei der Kalkulation von Garantien aufgerufen, was die Rating-Agentur insoweit als folgerichtig ansieht.

„Unter dem Strich verschaffen die höheren Bewertungsreserven den Lebensversicherern etwas mehr Zeit zum Umbau ihrer Geschäftsmodelle. Angesichts des massiven Zinsfinanzierungsbedarfs ist eine Neuausrichtung aber auch radikal notwendig“, zeigt sich Lars Heermann überzeugt.

Wirtschaftliche Ausgangslage sehr unterschiedlich
Für Assekurata-Geschäftsführer Dr. Reiner Will kann sich der Umbau durchaus lohnen. „Trotz niedriger oder sogar negativer Zinsen sehen wir Perspektiven für die Lebensversicherung, weil die Spar-Quote der Kunden in der Corona-Krise deutlich gestiegen ist. Mit Blick auf die Anbieter zeigt unsere EKG-Studie allerdings, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen individuell sehr unterschiedlich sind.“

Grundsätzlich positiv sieht der Assekurata-Chef, wenn ein Lebensversicherer über eine breit gestreute Kapitalanlage mit substanziellen Bewertungsreserven und eine stabile und ausgewogene Ertragsstruktur verfügt. Hiervon würden dann nicht nur Altersvorsorgesparer profitieren, sondern auch die Kunden mit Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen, da die Gefahr geringer ausfällt, dass der Versicherer zur Abwehr drohender Kapitalanalageverluste einen Teil seiner Risikoergebnisse querverrechnet.

„Wenn dies passiert, können die Beitragszahlungen der Kunden steigen, auch wenn der eigentliche Tarif sorgfältig kalkuliert und der Bestand insgesamt profitabel ist“, erläutert Dr. Reiner Will. „Und dass ein negatives Kapitalanlageergebnis keineswegs aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich wiederum daran, dass viele Gesellschaften dies bereits heute vielfach nur durch die Auflösung von Bewertungsreserven vermeiden können.“

Studie „EKG-Check 2020 in der Lebensversicherung“
In der Studie „EKG-Check 2020 in der Lebensversicherung“ stellt Assekurata die Wirkungszusammenhänge und Hintergründe ausführlich dar und führt umfassende Einzel- und Marktanalysen auf Basis der Geschäfts- und Solvenzberichte sowie der MindZV-Veröffentlichungen der Unternehmen durch.

Interessenten können die rund 60-seitige Studie (PDF) einschließlich vieler Auswertungen und Kommentierungen sowie die wesentlichen Einzeldaten der Unternehmen (Excel) im Internet unter www.assekurata.de bestellen. Dort sind auch alle anderen Assekurata-Ratingberichte kostenlos zum Download zu finden. (-el / www.bocquel-news.de)

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