logo
logo

Namen und Nachrichten

Branche am Scheidepunkt - Problem vor/nach der Wahl

24. September 2021 - Brisante Themen und kontroverse Dis-kussionen heizten das Klima am zweiten Tag des Online-Sympo-siums des Bundes-Verbands Deutscher Versicherungsmakler an, der auch ganz im Zeichen der nahen Bundestagswahl stand, wo auch um den „möglichen Staatsfonds“ sowie Risiken der Pflegebedürftigkeit oder Altersvorsorge ging.

Ein Politikwechsel in Deutschland nach der Bundestagswahl sei sehr wahrscheinlich, meinte Dr. Hans-Georg Jenssen, geschäftsführender Vorstand des BDVM Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler e.V. (www.bdvm.de) bei dem Online-Symposium seines Verbandes „Herausforderungen in einer komplexen Welt“ am 23. September. Er glaubt, dass ein wie auch immer gestalteter Staatsfonds zur Altersvorsorge etwa nach skandinavischem Vorbild realistisch werden könne, da dies in den Programmen bei vielen Parteien – auch bei Union und FDP – verankert ist.

Doch vor der Lösung stand bei dem Symposium die Problemstellung. Zunächst beschäftigte sich Margaret Heckel, Politik- und Wirtschaftsjournalistin, zuletzt als Politikchefin der Welt, Welt am Sonntag und Financial Times Deutschland, mit der demografischen Entwicklung in Deutschland und der Auswirkung auf die Sozialsysteme und den Arbeitsmarkt. So werde in Deutschland in wenigen Jahren ein starker Rückgang der Erwerbstätigen festzustellen sein. Bis 2060 würden 15 Millionen Erwerbstätige fehlen.

Lösungsmöglichkeiten würden zum Teil fruchten. So habe die Politik zum Bespiel durch das Elterngeld den Anreiz zu mehr Kindern erhöht. Die Geburtenrate bei Frauen konnte immerhin um zwölf Prozent von 1,37 auf 1,59 im Schnitt gesteigert werden. Weitere Möglichkeiten seien eine Erhöhung der Jahresarbeitszeit, mehr Migration, die Erhöhung der Arbeitszeit von Frauen, die Teilzeit arbeiten, oder Ältere länger arbeiten zu lassen.

Dabei räumte Margret Heckel unter anderem mit realitätsfremden Rentenmythen auf. Mythos Nummer 1 sei, dass die (mit dem Alter abnehmende) Gesundheit einen früheren Renteneintritt erfordere. Der oft zitierte Dachdecker sei schon heute ab 55 Jahren sowieso eher in der Beratung tätig und nicht mehr auf dem Dach zu finden. Zudem stuften nach einer Studie 60- bis 69-Jährige ihre Gesundheit als sehr gut, gut und ausgezeichnet ein. Mythos Nummer 2 sei, dass die Produktivität im Alter abnehme. Oft sei das Gegenteil der Fall, da Ältere ihr Wissen und ihren Erfahrungsschatz einsetzen könnten.

Margret Heckel sprach sich für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung aus, wie es in Skandinavien umgesetzt wird. Demnach steigt die Erwerbsphase automatisch um acht Monate, wenn die Lebenserwartung um zwölf Monate steigt. Der Renteneintritt wäre zwischen 63 und 70 Jahren möglich.

Verbraucherzentrale Bundesverband für Staatsfonds
Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV) sprach sich klar für einen verpflichtenden Staatsfonds als Ersatz für die Riester-Rente aus. Dabei übte sie massive Kritik an der Riester-Rente. Hauptkritikpunkte:

  • Die Förderkriterien begünstigten Versicherungen,
  • zu hohe Kosten,
  • doppelte Abschlussprovisionen bei Wechsel oder Änderungen des Eigenbeitrags,
  • Vertrieb bestimme den Absatz,
  • Interessenkonflikt bei der Beratung (Provisionsinteresse), und
  • Geringverdiener profitierten kaum.

Die „Extrarente“ sei das bevorzugte Modell des VZBV. Es solle dafür keinen Vertrieb geben, vielmehr sollten alle Arbeitnehmer automatisch einbezogen werden (Opt-in). Eine staatliche Stelle soll das Kapital sammeln. Danach soll eine Ausschreibung der Anlage an private Unternehmen erfolgen, die das Geld anlegen sollen. Dies soll eine flexible, primär aktienbasierte Anlage sein. Nominale Garantien soll es nicht geben. Dies würde auch ein Umdenken bei den Verbrauchern erfordern. Mohn hofft, dass nach der Bundestagswahl dieser Plan aufgehe, da viele Parteien sich für eine solche staatliche Vorsorgelösung aussprechen.

„Rohrkrepierer“ Sozialpartnermodell
Dr. Hans-Georg Jenssen meinte dazu, dass solche Lösungen nur über einen sehr langen Zeitraum funktionieren könnten. In den USA habe man nach der Finanzkrise die Erfahrung gemacht, dass viele Pensionskassen ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten. Der „Rohrkrepierer“ Sozialpartnermodell nach dem Betriebsstärkungsgesetz habe gezeigt, dass ein Modell ohne jegliche Garantien nur schwer umsetzbar sei.

Zum Thema Interessenkonflikt meinte der geschäftsführende BDVM-Vorstand Jenssen, dass eine provisionsorientierte Beratung gegenüber einer Honorarberatung sozial gerechter sei. Der Millionär zahle relativ gesehen weit weniger für die Beratung als ein Normalverdiener.

Dietmar Bläsing, Vorstand vom Volkswohl Bund, beschäftigte sich mit der Frage, ob die deutsche Lebensversicherung mit den neuen Ideen konkurrieren kann. Und, ob alles ohne Beratung über das Internet laufen kann. Seine Kernbotschaft lautete: Eine „Do-it-yourself-Beratung“ sei bei existenziellen Risiken wie Arbeitskraftabsicherung, Pflegebedürftigkeit oder Altersvorsorge extrem gefährlich. Einen zweiten Anlauf gebe es meist nicht. Wer hier Fehler mache, merke es erst, wenn es zu spät ist. (Text und Fotos Bernd Rudolf / www.bocquel-news.de)

zurück

Achtung Copyright: Die Inhalte von bocquel-news.de sind nach dem Urheberrecht für journalistische Texte geschützt. Die Artikel sind ausschließlich zur persönlichen Lektüre und Information bestimmt. Abdrucke und Weiterverwendung - beispielsweise zum kommerziellen Gebrauch auf einer anderen Homepage / Website oder Druckstücken - sind nur nach persönlicher Rücksprache mit der Redaktion (info@bocquel-news.de) gestattet.