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Konzepte und Kriterien

BAG-Urteil interpretiert alte bAV-Zusagen neu

3. September 2012 - Rente soll es erst ab 67 Jahren geben - trotz der Zusage ab 65 Jahre. Das Urteil "3 AZR 11/10" des BAG Bundesarbeitsgerichts beeinträchtigt nun vorherige Bestimmungen - auch zur bAV. febs-Geschäftsführer Buttler rät dringend zur individuellen Analyse.

BETRIEBSRENTE „Auf den ersten Blick können Arbeitgeber sich freuen", sagt Andreas Buttler, Gesellschafter-Geschäftsführer der febs Consulting GmbH (www.febs.biz). Buttler spricht damit erneut das Urteil 3 AZR 11/10 des BAG Bundesarbeitsgerichts (www.bundesarbeitsgericht.de) an, mit dem am 15. Mai 2012 entschieden wurde, dass Altersleistungen aus einer bAV (betriebliche Altersvorsorge) unter bestimmten Voraussetzungen erst mit 67 Jahren gezahlt werden müssen, auch wenn sie formal zum 65. Lebensjahr zugesagt wurden. „Das gilt für alle Zusagen, die bereits vor Einführung der Regelaltersgrenze von 67 Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung erteilt wurden, also vor dem 20. April 2007", erklärt der bAV-Experte.

Buttler erklärt, dass die Richter bei diesen Zusagen unterstellen, dass Arbeitgeber bei der Festlegung einer Altersgrenze von 65 Jahren regelmäßig davon ausgingen, dass die Betriebsrente somit ab dem Zeitpunkt gewährt wird, an dem auch die gesetzliche Rente in voller Höhe in Anspruch genommen werden kann.

Andreas Buttler Das hatte auch seit 1916, also über 90 Jahre lang, Gültigkeit. Deshalb sei es folgerichtig, dass trotz der expliziten Festlegung eines Rentenalters von 65 Jahren stattdessen die jeweilige Regelaltersgrenze als vereinbart gilt. „Für die Praxis hat dieses Urteil weitreichende Auswirkungen", ist sich Andreas Buttler (Foto) sicher. Er nennt Beispiele zu betroffenen Versorgungszusagen und Auswirkungen für Mitarbeiter.

Danach sind von der BAG-Entscheidung betroffen:

  • alle bAV-Zusagen, die vor dem 20. April 2007 (Verabschiedung des Gesetzes) erteilt wurden und bei denen nach dem 1. Januar 2008 ein Mitarbeiter - der 1947 oder später geboren ist -
  • unverfallbar ausgeschieden ist oder ausscheidet, oder
  • in Rente gegangen ist oder geht, oder
  • sich scheiden lässt und ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist.

Auswirkungen bei Leistungszusagen mit Festbeträgen
Beispiel: Ein betroffener Mitarbeiter (Regelaltersgrenze 67 Jahre) hat eine Festzusage über 1.000 Euro Monatsrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres. Das BAG-Urteil wirkt sich wie folgt aus:

  • Ø Der Anspruch auf die Rente besteht erst mit 67 Jahren. Geht der Mitarbeiter mit 65 in Rente, so erfolgt eine Kürzung für den vorzeitigen Rentenbeginn. Bei 30 erreichbaren Dienstjahren bis zum Alter 65 reduziert sich die Rente auf 30/32 von 1.000 Euro - also auf 937,50 Euro.
  • Ø Scheidet der Mitarbeiter vorzeitig aus, verringert sich auch sein unverfallbarer Anspruch, weil die insgesamt mögliche Betriebszugehörigkeit zwei Jahre länger ist.

„In diesem Beispiel wird die Versorgung insgesamt für den Arbeitgeber günstiger als bisher gedacht", sagt Andreas Buttler. Das wirke sich unter anderem auch auf die Höhe der Rückstellungen aus sowie auf die Beiträge zum PSV Pensions-Sicherungs-Verein (www.psvag.de) aus. Bei unverfallbar ausscheidenden Mitarbeitern seien seit 2008 vermutlich zu hohe Unverfallbarkeits-Bescheinigungen ausgestellt, zu hohe Abfindungen gezahlt und zu hohe Renten geleistet worden. „Hier ist zu klären und festzulegen, wie damit in Zukunft umgegangen werden soll, um auch die bilanzielle und steuerliche Behandlung der Versorgung korrekt vornehmen zu können."

Auswirkungen bei „Bausteinzusagen"
Beispiel: Der oben genannte Mitarbeiter erhält nach zehn Jahren Wartezeit pro Dienstjahr 20 Euro Altersrente ab 65. Bis zum 65. Lebensjahr kann er 30 Dienstjahre erreichen. Bei Tod vor Rentenbeginn erhält die Witwe 60 Prozent der erreichbaren Altersrente. Das Urteil wirkt sich wie folgt aus:

  • Ø Der Anspruch auf die Rente besteht erst mit 67 Jahren, allerdings ist die Rente um 40 Euro höher. Geht der Mitarbeiter mit 65 in Rente, so erfolgt eine Kürzung der erhöhten Rente von 440 Euro aufgrund des vorzeitigen Rentenbeginns. Bei einer Kürzung auf 30/32 von 440 Euro erhält der Mitarbeiter 412,50 Euro - also mehr als bisher.
  • Ø Scheidet der Mitarbeiter nach 15 Jahren vorzeitig aus, verringert sich sein Unverfallbarkeits-Faktor auf 15/32, statt wie bisher 15/30. Die unverfallbare Rente beträgt somit 206,50 Euro statt bisher 200 Euro.
  • Ø Im Todesfall hat die Witwe einen Anspruch in Höhe von 60 Prozent aus 440 Euro erreichbarer Rente, statt 60 Prozent aus 400 Euro.

„In diesem Beispiel wird die Versorgung für den Arbeitgeber deutlich teurer", sagt Buttler. Das führe zu höheren Rückstellungen in der Handelsbilanz. In der Steuerbilanz dürften die Rückstellungen nach Ansicht der febsd-Experten nicht angehoben werden, solange die Schriftform nicht erfüllt sei. Wenn es nämlich der Arbeitgeber einfach bei der bisherigen Verwaltungspraxis belasse, so würden Klagen von Arbeitnehmern und Rentnern (Leistungs- und Ausscheidefälle seit 2008) sowie Ärger mit Wirtschaftsprüfern und dem PSVaG drohen.

Auswirkungen bei Direktversicherung, Pensionskasse und rückgedeckter U-Kasse
Bei beitragsorientierten Versorgungszusagen ( kurz boLZ), die vor dem 20. April 2007 erteilt wurden, gilt laut BAG ebenfalls die neue Regelaltersgrenze, auch wenn die Versicherungen auf das 65. Lebensjahr abgeschlossen wurden. Sofern allerdings bei Ausscheiden das versicherungsvertragliche Verfahren angewendet wird, würden sich bei tatsächlichem Rentenbeginn mit 65 Jahren in der Regel keine Auswirkungen ergeben. Die Probleme würden erst entstehen, wenn der Mitarbeiter bis zur Regelaltersgrenze tätig sei, die Versicherung aber bereits vorher ablaufe. „Bei Pensionskassen kommt die Problematik hinzu, dass die Kasse nur Leistungen gewähren darf, wenn die Berufstätigkeit eingestellt wird", betont Andreas Buttler.

Wurde in der Direktversicherung zum Beispiel eine Berufsunfähigkeits-Versicherung (BU) oder eine Todesfallleistung in Prozent der Altersrente versichert, so könnten sich durchaus Probleme ergeben. Denn die versicherte Altersrente (ab 65) ist zu gering. Bei den möglichen Auswirkungen komme es hier nach Meinung von Andreas Buttler auch auf die Details der Zusage an. Gegebenenfalls sollte man hier einfach nochmals klarstellen, dass die Höhe der Todesfall oder BU-Leistung lediglich aus tariftechnischen Gründen in Prozent der Altersleistung angegeben wurde, aber die sich daraus ergebenden Festbeträge relevant sind. Bei bereits ausgeschiedenen Mitarbeitern werde das allerdings schwer umzusetzen sein.

Bei beitragsorientierten rückgedeckten U-Kassen könne es zu Finanzierungsrisiken für den Arbeitgeber kommen, wenn die Zusagen vor 2001 erteilt wurden. Denn für diese Zusagen gilt bei unverfallbarem Ausscheiden noch das ratierliche Verfahren, das die insgesamt mögliche Dienstzugehörigkeit berücksichtigt. Problematisch sei hier, dass die Leistung bei Erreichen der Regelaltersgrenze nicht bestimmt werden könne, wenn die Versicherung auf einen früheren Zeitpunkt abgeschlossen wurde.

Vielfalt der Auswirkungen erfordert individuelle Analysen
Die beschriebenen Auswirkungen stellen laut Mitteilung der febs Consulting GmbH nur eine kleine Auswahl dar. „Die individuellen Folgen der BAG-Entscheidung hängen im Detail vom Durchführungsweg, der Formulierung der Zusage, den versicherten Risiken und der Art der Rückdeckung/Finanzierung ab", sagt Buttler. Der dringendste Handlungsbedarf bestehe sicherlich bei Pensionszusagen. Bei den möglichen Auswirkungen seien neben den arbeitsrechtlichen Ansprüchen der Arbeitnehmer, Rentner, Hinterbliebenen und unverfallbar Ausgeschiedenen vor allem auch die steuerlichen, betriebswirtschaftlichen und bilanziellen Konsequenzen zu berücksichtigen.

„Folgen für Pensionszusagen sind wohl die bedeutendsten"
Auch hier sind die Folgen für Pensionszusagen wohl die bedeutendsten. Um allen betroffenen Arbeitgebern den ersten Einstieg in die Problematik zu erleichtern, bietet die febs Consulting in den nächsten Wochen eine kostenlose Erstanalyse von Pensionszusagen im Hinblick auf Handlungsbedarf aufgrund des BAG-Urteils an.

Aus gegebenem Anlass bietet die febs Akademie im Oktober und November zwei zusätzliche Termine des Seminars „Aktuelle bAV-Herausforderungen" an, in denen dieses Thema ausführlich behandelt wird. Unter www.febs-consulting.de/seminare gibt es dazu Detailinfos. (eb / www.bocquel-news.de)

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