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„In der Zukunft sind Daten wichtigster Schmierstoff“

12. März 2018 - Das Schlagwort des Tages „‚Research online – Purchase offline‘ zog sich am Donnerstag wie ein roter Faden durch alle Vorträge beim 18. Vorlesungstag an der Universität Leipzig. Mehr als 300 Teilnehmer hörten Informatives; Kritisches und Hochaktuelles während der Tagung mit Gastgeber Prof. Fred Wagner.

Das Thema Digitalisierung lieferte für das Programm des 18. Vorlesungstags an der Universität Leipzig eine schier unerschöpfliche Fülle an Stoff und Diskussionsvielfalt. Nicht nur, dass Professor Dr. Fred Wagner, Gastgeber und Vorstand des Instituts für Versicherungswissenschaften e.V. an der Leipziger Uni (www.ifvw.de), über die Nähe seines Lehrstuhl mit InsurTechs und Kooperationen mit Versicherungsunternehmen ausführlich sprach und dabei auch die fruchtbare Verbindung zum Berliner InsurHub einschloss, sondern auch, dass die Vorstände zweier Assekuranz-Gesellschaften Einblick in neue Entwicklungen bei der Digitalisierung gewährten. Schließlich rundete GDV-Präsident Dr. Wolfgang Weiler mit seinen kritischen Anmerkungen zur „Wirksamkeit der aktuellen Regulierung und weitere Herausforderungen“ das Programm des Branchen-Treffs in Leipzig mit mehr als 300 Besucher aus ganz Deutschland ab.

Ganz nah am Kunden bleiben
Bernd Heinemann, Mitglied des Vorstands der Allianz Deutschland AG (www.allianzdeutschland.de), betonte in seinem Referat, dass die Digitalisierung Versicherer und Vermittler vor große Herausforderungen stelle, letztendlich aber der Kunde im Zentrum allen Handels bleiben müsse. Dazu sei es unumgänglich, weiterhin ganz nah am Kunden zu bleiben, um jedwede Veränderung im Kundenverhalten unmittelbar zu spüren. Es sei hinreichend bekannt, dass der Kunde von heute sich zwar eingehend im Internet informiere, dann aber in den meisten Fällen doch die persönliche Beratung beim Vermittler suche. Hierfür hatte Heinemann das vielsagende Schlagwort „RoPo“ parat. Die Kurzform RoPo steht demnach für den englischen Ausspruch ‚Research online – Purchase offline‘.

Allianz-Vorstand Heinemann befasste sich in seinem Vortrag mit der „digitalen Strategie der Allianz Deutschland AG“; eine besonders große für die Unternehmensgruppe mit insgesamt 20 Millionen Kunden und mehr als 25.000 Mitarbeitern. So habe die Allianz Deutschland beispielsweise Social Media zur spezifischen Ansprache von Kundengruppen eingesetzt. „Eine traditionelle Corporate-Seite auf Facebook war für uns nicht die beste Lösung, hat nur rund 200.000 Follower gebracht”, berichtete der 51-jährige studierte Physiker. Aber selbstredend sei jede Allianz-Agentur heute mit einem eigenen Auftritt bei Facebook präsent. Die Agenturinhaber selbst sorgen für aktuelle, authentische Inhalte. Doch auch aus der Zentrale in München würden Teile des Contents zur Verfügung gestellt.

Auf Qualität und Schnelligkeit kommt es an
„Wir wollen uns mit Blick auf Qualität und Schnelligkeit weiter verbessern. Dafür haben wir Prozesse vereinfacht und auch – wo immer sinnvoll – digitalisiert.“ Das reduziere Komplexität und verringere Kosten, was vor allem den Kunden zugutekomme. Die Automatisierung von Standardprozessen wie die Schadensabwicklung und auch die unverzügliche Auszahlung an den Kunden sei inzwischen durch eine App möglich. Doch hier wie auch in anderen Bereichen stünden weitere Tests an.

Im Online Marketing hat laut Heinemann alles rund um die „Künstliche Intelligenz” geradezu einen Hype ausgelöst. Er sieht darin mehr ein Abdriften – alles unter dem Deckmantel Big Data und Customer Journey-Analysen. Bei der Allianz Deutschland laufen derweil Tests dazu.

Viel wichtiger sei aber der Aufwand für die Telematik-App, die inzwischen circa 60.000 jüngere Autofahrer nutzen. Hier werden bis zu 30 Prozent an Prämienrabatten für annehmbares Fahren in Aussicht gestellt.

Angesicht der digitalen Vielfalt habe man sich bei der Allianz Deutschland aber auf die Fahnen geschrieben, Richtiges zu bewahren und mit ‚neuem‘ Richtigen zu ergänzen. Wichtig dabei, dass Kundenorientierung und Digitalisierung zusammengehören. Die digitale Allianz-Einheit Allianz X (www.allianzx.com) synchronisiere hierzu quasi neue Technologien, auf die unkompliziert zugegriffen werden könne. Unterm Strich interessieren die Allianz Innovationen, die schnell skalierbar sind.

„Die Regulierung kostet viel Geld und viele Ressourcen für die Digitalisierung“, sagte Wolfgang Weiler, Präsident des GDV Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de). Die Vielzahl der Regulierungen und die damit verbundenen Kosten, aber auch die Zuständigkeiten der europäischen Aufsicht EIOPA (www.eiopa.europa.eu) nahm Weiler unter die Lupe, wobei besonders der Ressourcen-Aufwand für die Umsetzung von Solvency II und hier insbesondere das sogenannte Proportionalitätsprinzip gigantisch sei. „Wir sind für offene Märkte und eine offene Gesellschaft.” Deshalb fordere er mehr Gestaltungsspielraum für Unternehmen und nicht mehr Regulierung. Weiler: „Wir brauchen mehr unternehmerische Freiheit für die Versicherer hierzulande.“

Geforderte Proportionalitätsklausel hinderlich
Und dabei sei die geforderte Proportionalitätsklausel hinderlich. „Eine Erhaltung der Vielfalt kleiner, regional verwurzelter und mittelständischer Versicherer in Deutschland ist uns wichtig, sie macht die Qualität der Branche aus“, sagte der GDV-Präsident. Weiler betonte, dass er in seiner Eigenschaft als GDV-Präsident die regulationsbedingten Mehrkosten, die bisher laut Schätzungen im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich liegen, eigentlich schon viel zu hoch seien. Schlimmer aber: Sie seien unrealistisch niedrig geschätzt. Das werde sich unvermeidlich auf die Prämien der Versicherungen niederschlagen.

Er verstehe nicht, wie die EIOPA als europäische Regulierungsbehörde autark und frei von parlamentarischen Gremien agieren könne. Auch für die politische Maßgabe, EU-weit jährlich 118 Milliarden Euro für Klimaschutz von der Assekuranz zu fordern, zeigte Weiler kein Verständnis – auch wenn es gesellschaftspolitisch nachzuvollziehen sei.

Nachhaltigkeit gegenüber Kunden unterstützen
„Wir unterstützen allerdings die Nachhaltigkeit gegenüber unseren Kunden, und nicht primär politische Ziele”, betonte Weiler schließlich. Seiner Meinung nach müsste sich die Politik für ein größeres Angebot nachhaltiger Investitionsmöglichkeiten einsetzen, denn das Geld dafür sei grundsätzlich da. Allerdings seien gute Anlagen derart gefragt, dass sie schon heute wieder verhältnismäßig teuer seien.

Insgesamt sei aber der bürokratische Aufwand für alles meist unmäßig groß. Weiler nannte dies ein „ineffektives Glasperlenspiel“.

Disruptiv: Neue Modelle erzeugen Veränderungsdruck
„Die Digitalisierung im persönlichen Versicherungsvertrieb: Chancen und Hürden“, lautete der Beitrag von Wolfgang Hanssmannn, Vorstandsmitglied der Talanx Deutschland AG (www.talanx.com). Die Digitalisierung im persönlichen Versicherungsvertrieb bezeichnete Hanssmann als Treiber für Veränderungen. „Neue Geschäftsmodelle erobern den Markt und erzeugen Veränderungsdruck. Viele sind disruptiv“, sagte der 55-jährige Diplom-Kaufmann und Vertriebsspezialist.

Immer wieder wurde während des 18. Vorlesungstags an der Uni Leipzig die Befürchtung verbalisiert, dass Amazon und andere internationale und assekuranzfremde Mammutunternehmen eigene Versicherungsunternehmen in Deutschland installieren könnten. Hanssmann wiegelte ab: „Bevor Amazon in Deutschland eine Versicherung gründet, wird der gigantische global agierende Versandhändler überall in der ganzen Welt Neugründungen starten.“ Deutschland biete nicht das richtige Pflaster – allein schon wegen seiner zahlreichen regionalen Datenschutzverordnungen, die nahezu in jedem Bundesland unterschiedlich ausfallen.

„Daten sind der wichtigste Schmierstoff in der Zukunft der Assekuranz“
Hanssmann berichtete dann, dass Talanx eine digitale Schnittstelle der Verkaufs-Tools im Vertrieb erfolgreich installiert habe. Das sei wichtig, weil die Talanx mit ihrem Omníkanal-Vertrieb in allen Sparten – außer Krankenversicherung - auch auf die „Kanalwechsler“ unter den Kunden Rücksicht nehme. Er unterstrich damit, was zuvor schon sein Vorstandskollege von der Allianz ausgesprochen hatte: Die Regel sei, dass der Kunde sich online informiert und dann offline abschließt.

Die Talanx und auch die unterschiedlichen Vertriebsschienen der Versicherungsgruppe ausHannover arbeiten im Übrigen mit der Serviceplattform wefox (www.wefox.de) und dem Digitalanbieter Nexible (www.nexible.de) zusammen. Demnach entwickeln sich im Kontext der Digitalisierung viele neue Technologien, deren Bedeutung für den Vertrieb noch sehr unterschiedlich sei.

Der Versicherungsmanager betonte, dass diverse regulatorische Initiativen Einfluss auf den persönlichen Vertrieb hätten; gerade nach dem „PSD2“ im Zusammenhang mit der gerade in Kraft getretenen IDD. An erster Stelle entscheidet demnach die Regulatorik – und erst an zweiter Stelle der Kunde. PSD2 steht für Payment Service Directive 2: Mit der „PSD2“-Richtlinie will Brüssel den Wettbewerb im europäischen Zahlungsverkehr fördern - und ihn sicherer, bequemer und billiger machen.

Kein Omnikanal ohne Digitalisierung
Hanssmann erklärte, dass die Regulierung des Zahlungsverkehrs die Digitalisierung fördere. PSD2 ermögliche hiermit die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Die HDI-Gesellschaften im Talanx-Konzern und ihr Omnikanal-Vertrieb orientieren sich stark am Kundenverhalten und seinen Bedürfnissen. Kein Omnikanal ohne Digitalisierung! Damit bleibe es dem Kunden überlassen – sowohl vor als auch nach Vertragsabschluss – welchen Vertriebskanal er in Bezug auf seine Versicherung wünsche. Hanssmann: „Distanzkunden zerstören die Bestandskultur.“

Es besteht demnach das Angebot für Abschlussmöglichkeiten auf den Vermittler-Homepages. Nutzung mit Entwicklungspotenzial. Es bestehe „Waffengleichheit“ und die Möglichkeit der „Veredelung“ auf allen Kanälen. Hanssmann sieht darin eine Herausforderung für den Ausschließlichkeitsvertrieb genauso wie für den Direktvertrieb, die beide beim HDI in demselben Ressort angesiedelt sind. Natürlich sei dazu mit dem AO-Hausverein eine Vereinbarung getroffen worden.

„Für Freundlichkeit gibt es noch keine App“
Schließlich sprach Wolfgang Hanssmann noch kurz über die Cyberversicherung, deren Bestand in Deutschland nach seiner Schätzung in zehn Jahren mindestens genauso groß sein werde wie heutzutage der Bestand an Autoversicherungen. „HDI will der Versicherer werden, der es am besten versteht, die alte Welt mit der neuen Welt zu verbinden.“ Im Vordergrund stehe auf jeden Fall immer der Kunden. Und süffisant fügt der Talanx-Vorstand hinzu: „Für Freundlichkeit gibt es noch keine App“. (-el / www.bocquel-news.de)

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