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Konzepte und Kriterien

Crash am Alleebaum endet meist tödlich

18. Juni 2009 - Wie gefährlich Landstraßen für Verkehrsteilnehmer sind, zeigen die aktuellen Crash-Tests der Unfallforscher der Axa Winterthur in Kooperation mit der Dekra in Wildhaus in der Schweiz. Viel Potenzial für Prävention.

Anton Brunner Auf Landstraßen fühlen sich Verkehrsteilnehmer sicherer als in der Stadt oder auf der Autobahn, dies zeigt eine länderübergreifende Studie der Axa Versicherungen (www.axa.com). „Doch der Schein trügt - außerorts kommen jedes Jahr mehr Menschen ums Leben als auf allen anderen Strassen zusammen", sagte Anton Brunner (Foto), Leiter der Unfallforschung von der Axa Winterthur im Gespräch mit Journalisten am Vorabend der alljährlich öffentlichen Fahrzeug-Crash-Tests in Wildhaus/Schweiz.

Mit 3.012 Verkehrsopfern auf Deutschlands Landstraßen im Jahr 2007 rangiert die Bundesrepublik prozentual weit über den Statistikzahlen ihres Nachbarlandes Schweiz. 2007 kamen in der Schweiz außerorts bei 5.606 Unfällen 196 Personen ums Leben, 1.527 wurden schwer verletzt. „Dies ergibt 26 Verkehrsopfer auf eine Million Einwohner", rechnete Brunner vor. In Deutschland liege der Schnitt mit 36 Personen je eine Million Einwohner noch höher. Die Anzahl der Verkehrstoten habe sich zwar in beiden Ländern in den vergangenen 15 Jahren auf die Hälfte verringert, doch das sei immer noch nicht genug. Die Experten sehen in einer verstärkten Sensibilisierung der Autofahrer, in straßenbaulichen Maßnahmen und verbesserter Fahrzeugsicherheit noch viel Potenzial, um die Opferzahlen weiter reduzieren.

„Um die Unfallschwere zu verringern, reicht aber die Fahrzeugtechnik, wie zum Beispiel elektronische Stabilitätsprogramme (ESP), alleine nicht aus», erklärt Fachmann Brunner. Die Fahrer am Autolenkrad die müssten sich der Risiken der Landstrasse bewusst werden und ihre Fahrweise entsprechend anpassen, fordert er.

Crash-Test in Wildhaus Der Fokus der Auto- und Motorradunfall-Szenarien lag dieses Jahr in Wildhaus auf kurvenreichen Landstraßen und dicht mit Alleebäumen bewachsene Verkehrswegen in ländlichen Gebieten. Die aktuellen erneut gemeinsam ausgetüftelten Crashtests der Axa Winterthur und der Dekra (www.dekra.de) zeigen die häufigsten Unfallszenarien und sollen die Verkehrsteilnehmer für die Risiken und Gefahren auf Landstrassen sensibilisieren.

Zwischen Feldern, Wiesen und Wäldern führt die Landstrasse vorbei an Bauernhöfen und kleinen Dörfern. Bäume säumen den Straßenrand und spenden Schatten. Hinter einem Mähdrescher wartet ein Personenwagen auf die Gelegenheit zum Überholen. Nach einer sanften Kurve verliert er die Geduld, setzt den Blinker und schert im selben Moment aus. Dabei übersieht er das Motorrad, das gerade im Begriff ist, ihn zu überholen - eine Situation, wie sie jederzeit auf der Landstrasse passieren könnte. Beim Crash-Test in Wildhaus (Foto) mussten so genannte Dummies (eine Art Versuchspuppen in Lebenggröße) dran glauben. Die gleichzeitig wissenschaftlich durchgeführten Messungen der Unfallforscher liefern Material für Präventionspläne. „Viel Potenzial für die Prävention", sagt Anton Brunner.

Jörg Ahlgrimm Büsche statt Bäume
Mit rund einem Drittel der Getöteten auf Landstrassen sei der Aufprall auf Bäume und andere Hindernisse außerhalb der Fahrbahn die häufigste Ursache von tödlichen Unfällen, melden die Statistiker. „Bei der Kollision mit einem Baum wird die gesamte Aufprallenergie auf eine kleine Fläche am Fahrzeug konzentriert", erklärt Jörg Ahlgrimm (Foto), Leiter der Unfallanalyse bei der Dekra in Stuttgart. Wenn sich beispielsweise das Fahrzeug überschlage und seitlich oder mit dem Dach an einen Baum pralle, werde die Fahrgastzelle so stark deformiert, dass für die Insassen kaum Überlebenschancen bestünden. Dies zeigten erneut die aktuellen Crashtests der Axa Winterthur und der Dekra in Wildhaus.

Das Risiko, bei einem Baumaufprall getötet zu werden, sei für Insassen von Personenwagen doppelt so hoch wie bei anderen Hindernissen, für Motorradfahrer gar dreimal so hoch. Brunner verwies mit diesen Angaben auf eine Studie der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) zur Sicherheit auf Außerortsstraßen. „Trotz eindeutiger Nachteile werden auch heute noch Bäume am Straßenrand nachgepflanzt, meist aus ästhetischen Gründen", betont Anton Brunner. Würden statt Bäumen Büsche gepflanzt, würde das die Geschwindigkeit der Fahrzeuge, die von der Straße abkommen, stark abbremsen - ohne das möglicher Weise das Leben der Insassen gefährdet werde.

Gefährliche Überholmanöver
Die zweithäufigste Ursache für tödliche Unfälle auf der Landstraße sind den Analysen zufolge Frontalkollisionen. Der Grund dafür seien meist riskante Überholmanöver, für welche die Gegenfahrbahn benutzt wird. „Unerfahrene Fahrer schätzen die benötigte Überholstrecke falsch ein oder nutzen auch schlecht einsehbare Stecken zum Überholen", gibt Dekra-Experte Jörg Ahlgrimm zu bedenken. „Die eingesparte Fahrzeit steht dabei in keinem Verhältnis zum Risiko eines schweren Unfalls."

Auf der Landstrasse müsse man stets mit Gegenverkehr rechnen. Ein Überholender habe daher nur die Hälfte der einsehbaren Strecke zur Verfügung, um den Überholvorgang abzuschließen. „Im Zweifelsfall sollte man auf das Überholen auf Landstrassen verzichten", sagt Jörg Ahlgrimm. Um auf viel befahrenen Strecken den Drang zum Überholen zu verringern, schlägt er deshalb weitere Überholstrecken mit einer zusätzlichen Fahrspur vor. Würden diese Strecken mit einer klaren und frühzeitigen Signalisierung angekündigt, könnten ungeduldige Autofahrer auf riskante Manöver verzichten und die Überholstrecken abwarten. An gefährlichen Strecken, wo keine baulichen Maßnahmen möglich sind, seien auch konsequente Überholverbote notwendig, so Ahlgrimm.

Risiko an Knotenpunkten
Ein weiteres Risiko auf Landstraßen stellen Kreuzungen und Einmündungen dar, da sie oft unübersichtlich sind, machen die Unfallforscher deutlich. Besonders Motorradfahrer würden aufgrund ihrer schmalen Silhouette und der hohen Beschleunigung zu spät erkannt. An Knotenpunkten sei deshalb von allen Verkehrsteilnehmern besondere Vorsicht gefragt, auch wenn sie Vorfahrt hätten. „An Kreuzungen mit hohem Verkehrsaufkommen sind aber auch bauliche Maßnahmen wie Kreisel oder Leitinseln nötig, mit welchen die Fahrtrichtungen getrennt werden können", sagt Anton Brunner.

Handlungsbedarf bestehe auch bei Einmündungen von Privatstraßen und Feldwegen in Landstraßen: Sie sind in der Regel kaum signalisiert. Landwirtschaftliche Fahrzeuge könnten unvermittelt auftauchen, die Fahrbahn kreuzen oder abbiegen. „Viele Verkehrsteilnehmer schätzen Erntefahrzeuge aufgrund ihrer geringen Geschwindigkeit als ungefährlich ein und vergessen dabei die Ausmaße dieser Fahrzeuge", warnt Brunner. „Begegnet man einem landwirtschaftlichen Fahrzeug, muss man seine Geschwindigkeit anpassen und aufmerksam prüfen, ob Kreuzen oder Überholen überhaupt möglich ist."

Die diesjährigen Crash-Tests der Axa Winterthur und der Dekra machten erneut deutlich, wie gefährlich Kollisionen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen sind. (eb-db / www.bocquel-news.de)

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