25. Oktober 2012 - Fast jeder dritte Privatversicherte ist in einen Tarif mit geringerem Leistungsanspruch oder höherem Selbstbehalt gewechselt, behauptet eine Untersuchung der Allgemeinen Ortskrankenkassen. Die Private Krankenversicherung reagiert ausweichend.
Eine neue Runde im ewigen Clinch zwischen Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und Privater Krankenversicherung (PKV) hat das Wissenschaftliche Institut der Allgemeinen Ortskrankenkassen WIdO (www.wido.de) eröffnet. Im Ergebnis einer Umfrage unter GKV- Und PKV-Versicherten kam das Wido zu der Einschätzung: „Das Solidarprinzip der GKV stößt auf große Zustimmung - auch bei erstaunlich vielen Privatversicherten. Jeder dritte PKV-Versicherte und sogar jeder zweite privatversicherte Rentner steht einem einheitlichen Gesundheitssystem nach dem Muster der GKV aufgeschlossen gegenüber". Die Kassenbindung sei vor allem bei privatversicherten Rentnern deutlich geringer. Fast jeder dritte Privatversicherte sei in diesem oder letzten Jahr in einen Tarif mit geringerem Leistungsanspruch oder höherem Selbstbehalt gewechselt. Der Anteil dieser Wechsler steige mit dem Lebensalter.
So weit, so unspektakulär. Dennoch geht es für die PKV mal wieder ums Ganze. Denn Markus Lüngen (Foto), Professor für Volkswirtschaft, insbesondere Gesundheitsökonomie an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Osnabrück, zog in der Wido-Publikation „Wido-Monitor" aus der Untersuchung die Schlussfolgerung: „Das Zusammenwachsen von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird nicht nur immer wahrscheinlicher, sondern es entspricht darüber hinaus erstens dem Willen der (privat) Versicherten und wird zweitens massiv zu Gunsten des solidarischen Prinzips der GKV entschieden werden."
Die Reaktion des Verbandes der Privaten Krankenkassen e.V. (www.pkv.de) ließ nur kurz auf sich warten. „Die vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIDO) verbreiteten Umfragezahlen zeigen vor allem eine sehr hohe Zufriedenheit der gesetzlich und privat Versicherten mit ihrem dualen Gesundheitssystem", ließ Verbandssprecher Stefan Reker (Foto rechts) verlauten. Zu den Zahlen der angeblich zum Tarifwechsel gezwungenen Rentner heißt es ausweichend: „Die dort behaupteten Zahlen angeblicher Tarifwechsel und geänderter Selbstbeteiligungen passen bei weitem nicht zur Realität in der konkreten Kundenbetreuung der privaten Versicherungsunternehmen". Das werfe Fragen nach der Konzeption und Aussagefähigkeit der AOK-Umfrage auf. Auf Deutsch: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!
Auch die PKV hat ein Demografieproblem
Wenn es um Demografieprobleme in der Krankenversicherung geht, zeigt die PKV mit Hinweis auf ihre 170 Milliarden Euro (2011) schweren Alterungsrückstellungen gern vorwurfsvoll auf die GKV. Aber es ist nun mal kein Geheimnis, dass auch die PKV ein Demografieproblem hat. Einigen, vor allem den großen und alten Versicherern, sterben die Vollversicherten schneller weg als sie neue gewinnen können, Tarif vergreisen und dass die Beiträge im Alter meistens deutlich steigen, ist eine Tatsache.
Zahlen über die altersmäßige Zusammensetzung ihrer Versicherten in der Krankenvollversicherung veröffentlicht die PKV nicht. Allerdings gibt es eine Statistik zur Altersstruktur der privat Pflegeversicherten. Weil Privatversicherte sich auch privat pflegeversichern müssen, sind Rückschlüsse nicht abwegig. Danach findet sich das Gros der Versicherten im oberen Abschnitt jenseits der Altersgrenze 45 Jahre.
Indirekten Aufschluss gibt auch die Statistik zur Altersabhängigkeit der Ausgaben bei verschiedenen Selbstbehalten. Sie zeigt, dass die Ausgaben, beispielweise im ambulanten Bereich, jenseits des 60. Lebensjahrs geradezu explodieren - und zwar unabhängig von der Höhe oder gar dem Vorhandensein eines Selbstbehalts. Von daher lastete ein großer Druck auf den Tarifen, der zwangsläufig die Beiträge treibt und damit auch den Wechsel der älteren Versicherten in höhere Selbstbehalte oder in Tarife mit geringeren Leistungen. Nicht von ungefähr bemüht sich die Branche um die Erlaubnis des Gesetzgebers, die Alterungsrückstellungen bereits früher zur Dämpfung von altersbedingten Beitragssteigerungen einsetzen zu dürfen als bisher.
Debeka behauptet das Gegenteil
Konkreter als beim PKV-Verband ist die Reaktion der Debeka-Gruppe (www.debeka.de) auf die WIdO-Umfrage. Bei der Debeka Krankenversicherung a.G. nahmen im selben Zeitraum lediglich 1,5 Prozent der Rentner ein Wechselrecht und 0,3 Prozent eine höhere Selbstbeteiligung in Anspruch, heißt es bei dem Versicherer. Bei Beamten im Ruhestand (bei der Debeka fast 300.000) lägen die entsprechenden Ergebnisse nochmals deutlich unter denen der Rentner.
Uwe Laue (Foto), Vorstandsvorsitzender der Debeka, kommentiert die Studie wie folgt: „Zuletzt haben wir mit dem Vorurteil aufgeräumt, die PKV sei eine Versicherung der Reichen. Damit ist der AOK offensichtlich ein wesentliches Argument im Wettbewerb gegen die PKV weggefallen, sodass man nun auf andere Weise die private Krankenversicherung diskreditieren will. Das hatte die AOK schon zu Beginn des Jahres versucht, als sie mit Vermutungen über angeblich wechselwillige PKV-Versicherte Stimmung gegen die PKV-Branche machte. Bereits damals hatte sich aber gezeigt, dass die Aussagen der AOK nicht haltbar waren und nur auf „Empfindungen" der Mitarbeiter anhand telefonischer Anfragen von Privatversicherten basierten." (hp / www.bocquel-news.de)
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