24. Mai 2012 - Die Gesetzgebungsinitiativen für die Honorarberatung von Versicherungsmaklern und die Konsequenzen für ihren Vermittleralltag lotet der geschäftsführende Vorstand des VDVM aus. Seine Ausführungen beim Charta-Marktplatz waren mit viel Brisanz gewürzt.
„Hinterm Horizont geht‘s weiter - zusammen sind wir stark" - eine These, mit der Dr. Hans-Georg Jenssen (Foto), der geschäftsführende Vorstand des VDVM Verband der Versicherungs-Makler (www.vdvm.de) viele Zuhörer in seinen Vortrag während des Charta-Marktplatzes vor zwei Tagen in Neuss zog. Zu viele Unsicherheiten bestehen bevor. Makler, Vermittler und Berater stoßen immer häufiger im Gespräch mit den Kunden auf Unverständnis. Neue Gesetze und Gesetzgebungs-Initiativen erschweren ihnen das Alltagsgeschäft. Ein großer Stein des Anstoßes ist die Honorarberatung, die auch bei Versicherungsmaklern stark diskutiert wird, zumal sie sich über die Konsequenzen für ihren Vermittleralltag nicht bewusst sein können. Das Pro und Contra zur Honorarberatung wird in unterschiedlichen Vermittlerkreisen und Vertrieben kontrovers diskutiert.
Unruhige Zeiten
Dr. Jenssen machte zunächst eine Bestandsaufnahme. Die Situation am Markt an sich, die Finanzmarkt- und jetzt auch Euro-Krise sowie die vom Verbraucherschutzministerium (www.bmelv.de) schon vor zwei Jahren ausgerufene „Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen" sorgen immer wieder für Unruhe. Zur Forderung nach Produkt-Transparenz der Finanzdienstleister gesellten sich bald auch Transparenz-Wünsche der Verbraucher und Politiker nach Berechnung von Courtagen und Provisionen. „Politikern aller Lager ist die Provision bald ein Dorn im Auge", wurde die Ministerin bereits Ende 2009 in den Medien zitiert. Zunächst bezog sich ihre Kritik hauptsächlich auf die schlechte Bankberatung und die Skandale, die schwergewichtig in der Finanzkrise durch Bankberater verursacht worden waren.
So propagiert Ilse Aigner ab 2009 eine Förderung der Honorarberatung. „Für den unabhängigen Honorarberater sollte ein gesetzliches Berufsbild geschaffen werden - so wie für Anwälte oder Steuerberater", lautet ihr Credo. „Falschberatung ist ein Massenproblem", sagt Aigner öffentlich.
Nach vielen Diskussionen und Vorschlägen bringt die Ministerin im Februar 2011 die Honorarberatung bei Fachgespräch auf den Tisch, an sich dem Verbände der Finanzwirtschaft und des Verbraucherschutzes gemeinsam treffen, um Bilanz zu den erreichten Verbesserungen in der Qualität der Finanzberatung zu ziehen.
Eckpunktepapier für die Regelung der Honorarberatung
Im Sommer kommt aus dem Bundesverbraucherschutzministerium kommt dann im Sommer vergangenen Jahres ein Eckpunktepapier für die Regelung der Honorarberatung. Zur besseren Unterscheidbarkeit und Verlässlichkeit solle ein Berufsbild des Honorarberaters/unabhängigen Finanzberaters geschaffen und rechtlich verankert werden. Die es vergehen wieder Monate, bis die Opposition in Berlin zur Jahreswende auf schnellere Konkretisierung der Honorarberatung drängt.
Die Versicherungsmakler hinterfragen immer intensiver, was die Thesen zur Honorarberatung mit dem Bild ihres eigenen Berufsstandes macht. „Nur der FDP-Politiker Dr. Erik Schweikert argumentierte bei der Debatte im Bundestag im März 2012 in unserem Sinne", sagte der VDVM-Vorstand bei seinem Vortrag im Kreis der Charta-Marktplatz-Besucher:
- Eine andere Bezahlung sei keine Garantie für gute Beratung.
- Honorar sei nur als Ergänzung, nicht als Alternative denkbar.
- Keine Kampagne für irgendeine Berufsgruppe.
„Das muss der Markt regeln", zitiert Dr. Jenssen den FDP-Politiker.
Schließlich hatten dann laut Dr. Jenssen der VDVM und der DIHK im Sommer 2011 zum Eckpunkte-Papier ähnlich Stellung genommen: Das vorliegende Eckpunktepapier umreißt die geplanten Regelungen nur sehr kursorisch und wirft dabei viele Fragen auf. Praxisrelevante Probleme, wie zum Beispiel die kontrovers diskutierte Frage, ob und inwieweit Versicherungsvermittler über den Anwendungsbereich des Paragraphen (§) 34d Abs. 1 Satz 4 GewO hinaus Beratungsdienstleistungen auf Honorarbasis anbieten können, bleiben dabei offen."
Man wundere sich über die „mangelnde Zurückhaltung bei der Werbung für einen besonderen Berufsstand: Nicht nachvollziehbar ist, warum der Staat in der vorgeschlagenen Weise zugunsten eines noch nicht existenten beziehungsweise zugunsten von rund 203 registrierten Versicherungsberatern in das Marktgeschehen eingreifen sollte.
Der Berufsstand des Versicherungsmaklers ist im Markt etabliert
„Der Berufsstand des Versicherungsmaklers ist im Markt etabliert. Er ist Sachwalter des Kunden und damit unabhängig von jedweden Versicherungsunternehmen. Er ist qua Gesetz zur objektiven Beratung, zur Offenlegung seines Status und seiner Vergütung verpflichtet, Paragraph (§) 60 Abs. 1 VVG, § 34 d GewO, und gewährleistet damit höchste Transparenz gegenüber seinem Kunden." An dieser Tatsache
Die Beratungen zur IMD II würden nach momentanem Stand die Parallelität von Honorar und Courtage zumindest im Kompositbereich gewährleisten, betonte Dr. Jenssen. „Wir setzen uns für klare Entscheidungen und ein klares Berufsbild ein." Position des VDVM sei, die Honorarberatung für Makler zu öffnen. Systemgerecht wäre, die Beratung gegen Honorar als Spezialfall des unabhängigen Finanzvermittlers/-maklers zu verstehen.
Dr. Jenssen: „Ein solches Vorgehen - speziell wenn die Begriffe Finanzvertreter und Finanzmakler verwendet würden - hätte den Vorteil, dass dann sowohl im Finanzbereich als auch im Versicherungsbereich eine einheitliche Zuordnung nach Lagergesichtspunkten und auch unter Haftungsaspekten gewährleistet wäre."
Unabhängigkeit von den Produktgebern, nicht die Vergütung
Entscheidend für Beratung ist laut Ansicht des VDVM die Unabhängigkeit von den Produktgebern, nicht die Vergütung. Daher sollten sich richtigerweise die beiden Berufsbilder eines „abhängigen Finanzvermittlers" und eines „unabhängigen Finanzvermittlers" und nicht etwa eines „Honorarberaters" gegenüber stehen. „Noch besser wären die Bezeichnungen Finanzvertreter und Finanzmakler", ergänzte Dr. Jenssen. Dabei verstehe es sich von selbst, dass der unabhängige Finanz-vermittler/Finanzmakler auf der Seite seines Auftraggebers als dessen Sachwalter tätig wird - analog der Positionierung des Versicherungsmaklers.
Ein deutscher Sonderweg, wie er jetzt zur Diskussion sehe, wäre unnötig. Die Bundesrepublik Deutschland würde sich damit in größerer Übereinstimmung mit den Partnern in der EU befinden. Dort ist laut Dr. Jenssen die Figur des selbständigen Versicherungsberaters so nicht bekannt; vielmehr könnten dort die Versicherungsmakler als Sachwalter der Interessen des Versicherungsnehmers mit diesem regeln, auf welcher Basis sie tätig werden wollen.
Spricht gegen angestrebte Harmonisierung
„Die Schaffung eines separaten Berufsbildes des ‚Honorarberaters' würde deshalb den deutschen Sonderweg bezüglich des Versicherungsberaters auch noch auf den Finanzbereich erweitern, ein Unterfangen, das der angestrebten Harmonisierung des Finanz- und Versicherungsbereichs diametral entgegenlaufen würde", betonte der VDVM-Vorstand.
„Hier läuft etwas gigantisch verkehrt", sagte Dr. Jenssen. Was nicht allen bewusst sei, ist die Tatsache, dass neue Gesetze und Verordnungen für die Finanzberatung zum Teil schon in Kraft sind: Dr. Hans-Georg Jenssen nannte hierzu:
- AnsFuG Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz: Tritt seit Juli 2011 schrittweise in Kraft
- FinAnlVerm- und VermAnlG Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts: Ende 2011 verabschiedet, Übergangsfrist bis 1. Januar 2013
- FinVermV Finanzanlagenvermittlungsverordnung: Ende März verabschiedet, tritt zum 1. Januar 2013 in Kraft
Das AnsFuG sieht Dr. Jenssen als eine Konsequenz der Finanzkrise. Das Gesetz solle das Vertrauen in die Integrität und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts stärken und bringe Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), der Wertpapierdienstleistungs-, Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) sowie des Investmentgesetzes (InvG).
Beim FinAnlVerm- und VermAnlG komme Vieles den Versicherungsvermittlern bekannt vor - siehe die Registrierungspflicht für Finanzvermittler und den Sachkundenachweis, dessen Qualifikationsvoraussetzungen noch nicht bis ins letzte Detail geklärt sei. Als sicher gilt: Auch in der Vermittlung tätige Mitarbeiter müssen hier den Sachkundenachweis erbringen. Jenssen: „Es ist traumhaft zu sehen, dass die Banker jetzt das erfüllen müssen, was die Versicherungsmakler längst in der Praxis erfüllen."
Neu sei nun, dass Provisionen im Vermögensanlagen-Informationsblatt offen zu legen sind. Viele Punkte, die Dr. Jenssen als Megatrend Transparenz bezeichnet, sind demnach schon im Gesetz verankert. Mit einer Aufzeichnung des Zeitplans bis zum Inkraftreten der Erlasse machte Dr. Jenssen die anstehende Entwicklung deutlich.
Ein neuer Aufreger für die Branche ist, dass Ilse Aigner das Provisionsabgabeverbot abschaffen will. Entweder müssten die Anbieter zur Bereitstellung ihrer Produkte zu Netto-Tarifen verpflichtet werden, oder die Honorarberater zur Durchleitung der Provision an den Kunden berechtigt und verpflichtet werden, heißt es.
Durchleitung der Provision an den Kunden?
Die Position des VDVM dazu: „Das Durchleitung der Provision an den Kunden ist im Versicherungsbereich nur möglich, wenn für Versicherungsberater (nicht zwangsläufig auch für Versicherungsvermittler) das Provisionsannahmeverbot in Paragraph (§) 34e Absatz 3 der Gewerbeordnung und das Provisionsabgabeverbot, das auf § 81 Absatz 2 Satz 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes gestützt ist, aufgehoben werden. Dafür würden auch marktwirtschaftliche und wettbewerbliche Gründe sprechen, heißt es.
Die SPD lehne in ihrem Antrag das Durchleiten von Provisionen ab. Und die Verbraucherzentralen plädieren seit Jahren für Abschaffung des Provisionsabgabeverbots. Das Provisionsabgabeverbot hierzulande bezeichnete Dr. Jenssen als „Exot in der EU". „Nur wir Deutschen haben ein gesetzliches Provisionsabgabeverbot. Dem Legitimationsdruck auf EU-Ebene werden wir auf Dauer wohl nicht standhalten können." Die Abschaffung des Provisionsabgabeverbots unterstützt seiner Meinung nach den so genannten „Suppengrundsatz" (wer die Suppe kocht, muss sie auch auslöffeln!). Provisionsabgabeverbot wackelt heftig.
Provisionsabgabeverbot wird grundsätzlich geprüft
Die Finanzaufsicht Bafin (www.bafin.de) teilt dazu mit, dass man zunächst das Provisionsabgabeverbot grundsätzlich prüfen wolle: „Wir halten den konkreten Einzelfall nicht für geeignet, die Rechtmäßigkeit des Provisionsabgabeverbots als Ganzes höchstrichterlich klären zu lassen‟, hieß es. Ende Mai endet ein Konsultationsverfahren zum Thema.
Die aktuelle Situation umreißt die BaFin wie folgt: „Bis zum Abschluss der Prüfung werden wir keine Verfahren durchführen. (...) Die BaFin kann sich faktisch nicht mehr auf das Verbot berufen, da sie bei einer nachfolgenden Klage vor dem stets zuständigen Verwaltungsgericht Frankfurt am Main wieder verlieren würde."
Die Meinung des VDVM zur Aufhebung des Provisionsabgabeverbots stellte Dr. Jenssen wie folgt dar:
- Die Abschaffung des Provisionsabgabeverbots würden Versicherungsmakler verkraften.
- VDVM plädiert jedoch für „Waffengleichheit":Auch Versicherungsvermittler müssen Freiheit bei der Preisgestaltung haben! Reicht die in das Produkt einkalkulierte Provision oder Courtage nicht aus, müsste der Versicherungsmakler in der Lage sein, zusätzlich - in rechtlich zulässiger Weise - eine Vergütung vom Kunden fordern zu können.
Einige Länder sind bei den Vergütungsmodellen bekanntlich vorgeprescht: In Skandinavien wurde das traditionelle Vergütungsmodell für Versicherungsmakler abgeschafft, es wird individuell abgerechnet. In den Niederlanden wird das CAR-Konzept favorisiert (CAR = consumer agreed remuneration), Provisionen sind ab 1. Januar 2013 für verschiedene Produkte verboten. In England legt die Finanzaufsicht FSA ein Radikalkonzept zur Abschaffung der Courtage vor; es wird voraussichtlich 2013 in Kraft treten.
MIFID II und IMD II rütteln am Berufsbild des Versicherungsmaklers, betonte Dr. Jenssen. Die 196 Seiten mit dem Entwurf der MiFiD II Richtlinie hätten es in sich. Auswirkungen für Versicherungsmakler nennt und hinterfragt er wie folgt:
- Wichtiger Grundsatz: Auf „independent advice" kann sich nur der berufen, der keine Courtage oder Provision vom Produktgeber erhält!
- Was bedeutet dies für unser Berufsbild? Sind wir noch unabhängig?
- Führt dieses Modell dazu, dass Versicherungsmakler sich auch als Versicherungsberater zulassen? Können Sie dies überhaupt?
Die Auswirkungen für Versicherungsmakler werfen Fragen auf:
- Wäre der Vorschlag zu Artikel 68 des schweizerischen VVG ein Ausweg?
- Ist der gesamte Lebensversicherungsbereich betroffen?
- Kann ein unabhängiger Versicherungsmakler keinen „independent advice" mehr im Lebensbereich erteilen?
IMD II ist laut Dr. Jenssen auch schon in der Pipeline. Ein noch nicht abgestimmter Entwurf sieht vor: Im Komposit-Bereich: Drei Jahre Soft Disclosure, danach Hard Disclosure - auch Offenlegung von Volumen- und Staffelprovisionen. Und: Insurance PRIPs - angelehnt an MiFID II soll hier gelten, dass die unabhängige Beratung allein der geben, der keine Provision erhält.
Wie soll man das den Kunden vermitteln?
Wie soll man das den Kunden vermitteln? Im Komposit-Bereich ist man als Makler mit Provision unabhängig. - Im Lebensversicherungsbereich ist man nur ohne Provision unabhängig. „Die vorgesehenen Regelungen sind ein zentraler Angriff auf das Berufsbild des Versicherungsmaklers!" sagte Dr. Jenssen. Doch noch seien die Würfel noch nicht endgültig gefallen.
Doch egal, was kommen werde, geben wird es nach VDVM-Ansicht auf jeden Fall: Mehr Transparenz sowie Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und höhere Anforderungen an die Qualifikation. „Ausruhen ist nicht drin!" Denn alles werde komplexer. Die Kosten steigen. An die IT werden höhere Anforderungen gesetzt. Es wird eine höhere Regeltreue (Compliance) Gültigkeit haben.
In Kürze einschneidende Regelungen?
Dr. Jenssen: „Es ist nunmehr mit Sicherheit davon auszugehen, dass die EU in Kürze einschneidende Regelungen in Bezug auf die Vermittlervergütung einführen wird. Zwar ist es noch verfrüht, verlässliche Einschätzungen zur genauen Ausgestaltung der neuen Anforderungen abzugeben, doch ist bereits jetzt deutlich erkennbar, dass die Neuregelung in den meisten europäischen Märkten zu grundlegenden Veränderungen des Versicherungsvertriebs führen." So bald wie möglich müsse man sich auf diese Revolution einstellen, da davon auszugehen sei, dass dadurch nicht nur die Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten sowohl der Versicherungsunternehmen als auch der Vermittler grundlegend betroffen werden. Und auch deswegen, weil die neuen Bestimmungen eine Überprüfung und Neustrukturierung vieler Versicherungsprodukte erforderlich machen werden.
„Und deshalb: Hinterm Horizont geht‘s weiter - zusammen sind wir stark", lautet das Credo des geschäftsführenden VDVM-Vorstands Dr. Hans-Georg Jenssen. (eb / www.bocquel-news.de)
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