31. Oktober 2013 - Das OLG Karlsruhe erklärt eine „gesonderte Kostenausgleichs-Vereinbarung" mit einem Lebensversicherer nach vorzeitiger Vertragsauflösung für nichtig. Solche gesonderten Verträge zum Nachteil des Kunden sehen die Richter als unwirksam an (Az. 12 U 85/13).
Das OLG Oberlandesgericht Karlsruhe (Foto) verkündete jetzt mit Urteil vom 19. September 2013 - Az.12 U 85/13, dass Lebensversicherer gegen Kunden, die ihren Lebensversicherungsvertrag gekündigt haben, keinen Anspruch auf Zahlung noch nicht getilgter Abschluss- und Vertriebskosten haben, selbst wenn sie mit ihnen eine gesonderte Kostenausgleichs-Vereinbarung abgeschlossen hatten. Eine solche Vereinbarung sei wegen Umgehung des sogenannten Stornoabzugs-Verbots jedenfalls dann nichtig, wenn diese Übereinkunft unmittelbar mit dem Versicherer geschlossen werde und Versicherungs-Vertrag und Kostenausgleichs-Vereinbarung eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Ferner seien die zur Fortzahlung verpflichtenden Klauseln als intransparente und überraschende AGB-Klauseln unwirksam. Das OLG hat die Revision zugelassen (Az.: 12 U 85/13).
Im vorliegenden Fall hatte eine Versicherungskundin bei einem Lebensversicherer einen Vertrag über eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen und gesondert eine sogenannte Kostenausgleichs-Vereinbarung unterschrieben. Für die Versicherung sollte sie einen monatlichen Beitrag von 200 Euro bezahlen. Im Versicherungs-Antrag war weiter geregelt, dass in den ersten 60 Monaten der Versicherungsbeitrag um die monatliche Teilzahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten reduziert werde. Der Antrag auf Abschluss der Kostenausgleichs-Vereinbarung sah vor, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten in Höhe von 6.720 Euro in monatlichen Teilzahlungen erbracht werden. Er enthielt zudem den Hinweis, dass der Antragstellerin bekannt sei, dass sie die Kostenausgleichs-Vereinbarung nicht kündigen könne und dass die Auflösung des Versicherungs-Vertrages grundsätzlich nicht zur Beendigung der Kostenausgleichs-Vereinbarung führe, sondern die Kosten auch im Falle einer Kündigung zu bezahlen seien.
LG hält Kostenausgleichsvereinbarung in erster Instanz für wirksam
Die Beklagte bezahlte zunächst die vereinbarten Raten. Dann widerrief sie die Verträge unter anderem. Der Lebensversicherer klagte auf nach ihrer Ansicht noch offene Abschluss- und Einrichtungskosten von rund 5.200 Euro. Die Beklagte wendete unter anderem ein, sie habe die Kostenausgleichs-Vereinbarung wirksam widerrufen. Im Übrigen sei diese nichtig, da ein Umgehungsgeschäft zu § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG vorliege. Das Landgericht Karlsruhe erachtete die Kostenausgleichsvereinbarung für wirksam und gab der Klage statt. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein.
Ausgestaltung des «Netto-Policenmodells»
Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. In zweiter Instanz hob das OLG das vorangegangene Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage ab. Nach seiner Ansicht stellt eine Kostenausgleichs-Vereinbarung jedenfalls in der hier gewählten Ausgestaltung des «Netto-Policenmodells» eine unzulässige Umgehung des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG dar und sei deshalb nichtig.
Der Paragraph (§) 169 Abs. 5 Satz 2 VVG (Versicherungs-Vertrags-Gesetz) verbietet den angabren zufolge dem Versicherer einen Stornoabzug für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten bei Kündigung. Damit solle verhindert werden, dass die Kündigung des Versicherungs-Vertrages durch eine Art Vertragsstrafe erschwert werde und den Versicherungsnehmer faktisch von einer Kündigung abhalte. Denn er müsse damit einen Stornoabzug für Abschluss- und Vermittlungskosten hinnehmen, ohne dafür eine Gegenleistung in Form der Fortführung des Versicherungs-Vertrages zu erhalten.
Netto-Police wie Brutto-Police zu behandeln
Laut OLG würde dieser Effekt aber bei der hier gewählten Ausgestaltung des «Netto-Policenmodells», bei der die Kostenausgleichs-Vereinbarung unmittelbar mit dem Versicherer geschlossen worden sei, eintreten. So werde dem Versicherungsnehmer durch die Kostenausgleichs-Vereinbarung bei näherer Überlegung zwar bewusst, dass ihm ein erheblicher Teil seiner Beiträge wirtschaftlich nicht zu Gute komme, sondern der Gegenwert von knapp drei Beitragsjahren auf Abschluss- und Einrichtungskosten bezahlt werde. Wenn wie hier von den gleichmäßig zu zahlenden Beiträgen von monatlich 200 Euro monatlich 112 Euro auf die Abschluss- und Einrichtungskosten verrechnet würden, laufe die Beitragszahlung für die Versicherungsnehmerin wirtschaftlich aber genauso ab wie bei einer sonst üblichen Brutto-Police. Bei dieser würde jedoch das Verbot des Stornoabzugs gelten.
Dann müsse das Verbot aber auch beachtet werden, wenn der Versicherer zwar Versicherungs-Vertrag und Kostenausgleichs-Vereinbarung formal trenne, sie wirtschaftlich aber durch eine Verrechnung eines Teils des Beitrags zur Versicherung auf die Kostenausgleichs-Vereinbarung wieder zusammenfasse.
Fortzahlungsklauseln als intransparente AGB unwirksam
Wie die Richter am OLG sagten, wären im Übrigen die Klauseln als allgemeine Geschäftsbedingungen wegen Intransparenz unwirksam. Intransparenz liege schon in der Gestaltung der Vertragsunterlagen. Durch die übrige Gestaltung des Vertragsverhältnisses werde der Eindruck erweckt, dass die Verträge miteinander stehen und fallen würden. Das ergibt sich für das OLG vor allem aus dem Umstand, dass die Zahlungen zu beiden Verträgen nicht gesondert verlangt würden, sondern ein durchgehend einheitlicher gemeinsamer Betrag vereinbart worden sei, der dann teilweise auf die Abschluss- und Einrichtungskosten verrechnet werden sollte.
Klauseln auch überraschend
Die Klausel stelle sich auch als überraschend dar, so das OLG weiter. Ein Verbraucher, der einen Versicherungs-Vertrag abschließen wolle und dafür einen Makler hinzuziehe, werde in Betracht ziehen, dass der Makler für seine Tätigkeit eine Vergütung erwarte, und damit rechnen, dass er die für die Beratung auch dann zahlen müsse, wenn er den Vertrag nicht bis zum Ende durchführe. Im Verhältnis zum Versicherer stelle sich die Situation jedoch anders dar. Der Versicherungsvermittler biete gerade keine unabhängige Beratungsleistung an, der Versicherungsinteressent werde in der Regel nicht damit rechnen, dass er die Aufwendungen, die der Versicherer für den Verkauf seiner Produkte mache, auch dann noch mit laufenden monatlichen Beträgen mitfinanziere müsse, wenn er den verkauften Versicherungsvertrag bereits aufgegeben habe. (Auszug aus http://beck-aktuell.beck.de/, Verlag C.H. Beck, Oktober 2013)
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