30. Juni 2014 - Gibt es Kriterien, mit denen die Assekuranz zukunftsfähig bleibt? Beim MarktForum 2014 des Rückversicherungsmaklers Aon Benfield in Hamburg kamen hierzu Experten international tätiger Versicherer zu Wort. Auch Wissenschaftler wagten günstige Prognosen.
Aus wissenschaftlicher Sicht konnten hierzu keine Prognosen erstellt werden.
„Wie bleibt die Assekuranz zukunftsfähig?" Diesem anspruchsvollen Thema widmete Aon Benfield (www.aon.com/germany/) das Marktforum 2014, zu dem zahlreiche Top-Manager der Rück- und Erstversicherer vergangene Woche nach Hamburg gekommen waren. Der Rückversicherungsmakler Aon Benfield ist Versicherungsgesellschaften beim Risikotransfer durch Rückversicherungen behilflich, wenn es darum geht, das hausinterne versicherungstechnische Risiko aufzuteilen, die eigene Zeichnungskapazität zu erweitern sowie ihre Kapitalstärke und ihr Rating zu verbessern. „Unser Service umfasst die ganzheitliche Konzeption und Platzierung von Rückversicherungsportfolios inklusive des Schutzes einer Bilanz", sagte Aon Benfield Chairman und CEO für den deutschsprachigen Raum Jan-Oliver Thofern (Foto: E. Bocquel), als er unter den knapp 200 Teilnehmern auch die Repräsentanten zahlreicher Gesellschaften aus dem Ausland begrüßte.
In einer Zusammenfassung des Risikospektrums, mit dem die Assekuranzen zukunftsfähig bleiben könnten, nannte Thofern den kompletten Bereich Big Data und den damit verbundenen Cyberrisiken. Hier bestehe ein latentes Risikointeresse, das jedoch sinke, wenn die Höhe der Prämie bekannt werde.
In der modernen Risiko-Landschaft kristallisieren sich laut Thofern fünf Schwerpunkte heraus. Cyberrisiken, Gesundheitsrisiken, Umwelt- und politische Risiken sowie die Gefahren, die bei der Aufrechterhaltung von Lieferketten für die produzierende Industrie entstehen.
Was Umweltschäden anbelangt, sei vor allem das Fracking zu nennen. Aber auch die Naturkatastrophen nehmen zu, obwohl 2013 die Schadenleistungen dafür mit rund 22 Prozent und 45 Milliarden US-Dollar (circa 33 Milliarden Euro) geringer ausgefallen sind als im Jahr davor. Versicherte Naturkatastrophenschäden waren 2012 mit 75 Milliarden US-Dollar (rund 50 Milliarden Euro) versichert worden.
War in frühen Jahren der Finanzmarktkrisen zu Beginn dieses Jahrtausends noch von zu wenig Kapazität am Rückversicherungsmarkt weltweit die Rede, so müsse man heute davon ausgehen, dass genügend Kapazität vorhanden sei, sagte Thofern: „Der Rückversicherungsmarkt ist sogar überkapitalisiert." Es komme außerdem „alternatives Capital" dazu. Durch den Zufluss erwarte man bis 2018 ein Volumen von bis zu 100 Milliarden US-Dollar. In Zeiten des absolut niedrigen Zinsniveaus wie heute sei jedoch keine Besserung und Anhebung des Zinssatzes in Sicht.
Die Schäden hielten sich seit 2011 im Rahmen. Vor vier Jahren sei es noch schwierig gewesen, die Schadenlast zu bewältigen, was sich auch aus der damaligen Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio) von rund 93 Prozent ablesen lasse. 2013 sank diese Quote dann auf 89,6 Prozent. Die Durchschnitts-Combined-Ratio für die Jahre 2006 bis 2013 gab Thofern mit 92,7 Prozent an. Den Großschaden-Anteil daran im Jahr 2013 beziffert Thofern mit 4,7 Prozent nach 8,1 Prozent im Jahr davor.
Alles in allem sei ein großes Interesse bei Investoren an Versicherungsrisiken zu vermerken. Thofern: „Die Rückversicherungsindustrie ist in einem absolut zufriedenstellenden Zustand." Die Ergebnisse seien stabil geblieben, nachdem es 2008 steuerlich noch hohe Abschreibungen gegeben habe. 2013 sei seit dem Jahr 2007 das beste Vorsteuerergebnis verzeichnet worden.
Traditionelle Versicherrungen und die Rückversicherung haben laut Thofern eine sehr gute Zukunft - eher evolutionär als revolutionär. Wichtig sei, dass die Assekuranzen die Werthaltigkeit ihrer Produkte in den Vordergrund stelle - zu adäquaten Preisen, den bleibe ein sehr gutes Potenzial für Erst- und Rückversicherer bestehen.
Eindringlich hielt Prof. Thomas Straubhaar vom HWWI Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (www.hwwi.org) den MarktForum-Teilnehmern die Fakten der Finanzmarktkrise vor Augen. Er beleuchtete große Trends und ihre Rückwirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Die demographische Entwicklung mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung bewirke ein anderes Risikoverhalten, weil Ältere in der Regel wenig risikofreudig seien. Gleichzeitig sei ein anderes Konsumverhalten festzustellen - ganz nach dem Motto „Im Alter muss entspart werden". Die Summe der Ersparnisse in der Bevölkerung wird tendenziell zurückgehen. Die Bevölkerung habe auch andere Erwartungen an den Staat. Sie leben die These „Konsumieren statt Investieren".
Insgesamt, so Prof. Straubhaar, werde jetzt das Ende der Kontinuität eingeläutet. Demnach werden Brüche zum Normalfall. Ökonomisch bedeutete das, dass der Strukturwandel weiter gehe. Steigende Volatilität und steigende Risiken (Mikro und Makro) seien feststellbar.
Gesellschaftlich habe das einen raschen Wechsel der Bezugspersonen zur Folge (Patchwork). Politisch bedeute dies: Der Durchschnitt ist nicht mehr repräsentativ; die Sozialversicherungen geraten immer mehr unter Druck.
Daraus ergibt sich laut Professor Straubhaar ein immens und stark steigender Bedarf nach Versicherung der mikro- und makro-ökonomischen Risiken - ... aber auch die Schwierigkeit einer Aggregation (sprich Zusammenfassung mehrerer als homogen definierter Einzelgrößen zu einer Gesamtgröße) der individuellen Risiken zu Risikogruppen. Die Folge: Eine Konstanz von Wahrscheinlichkeit und Verteilung entfällt. Szenarien lösen Prognosen ab.
War bisher der Finanzmarkt das ideale Fieberthermometer für die gesamte Wirtschaftslage, werde man künftig umdenken müssen. Prof. Straubhaar glaubt nicht mehr an die Fieberthermometer-Theorie. So könnten kaum mehr Prognosen für das kommende Jahr treffsicher abgegeben werden. Und deshalb würden Prognosen insgesamt immer unwahrscheinlicher.
Es müssten neue Versicherungs-Produkte auf den Markt kommen, die allerdings nicht durch „unsinnige Deregulierung" weitere Erschwernisse bringen. Seine Prognose für die Zukunft - so sagte Professor Dr. Thomas Straubhaar (Foto: E. Bocquel) zum Schluss laute trotz aller Einwände: Gute Zeiten für die Versicherungswirtschaft.
Die Liste der Redner war lang. Experten wie Dr. Christian Hinsch (stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Talanx AG www.talanx.com) sowie Dr. Peter Hagen (Generaldirektor der VIG Vienna Insurance Group www.vig.com) und die Spezialisten von Aon Benfield, Stephan Schützeck, Thomas Willkowei und Dr. Torsten Lesch, sprachen über derzeitig kritische Erfolgsfaktoren der Branche für profitables Wachstum, Wettbewerbsvorteile durch Transparenz, die Bereitstellung von Risikokapital und die Aussichten für sogenannte Run-off-Bestände.
In der Zusammenfassung widmete man sich dann auch aktuellen Forderungen - wie beispielsweise Berücksichtigung der Frauen-Quote in Aufsichtsräten und Chefetagen und/oder Reputationsrisiken. Außerdem müssten vor allem die Rückversicherer den Klimawandel als Chance begreifen. Die Marktführer seien hier bereits besonders gut aufgestellt. Die Prognose lautet demnach hier: Klimawandel ist versicherbar, die Assekuranz bleibe zukunftsfähig. (-el / www.bocquel-news.de)
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