logo
logo

Konzepte und Kriterien

Solvency II nicht in Stein gemeißelt - Test wäre gut

8. März 2010 - Der Zeitplan zur Einführung von Solvency II scheint gelockert zu sein. Dr. Thomas Steffen von der deutschen Versicherungsaufsicht plädierte während der zehnten Handelsblatt Jahrestagung in München hier für „Qualität vor Geschwindigkeit".

Dr. Thomas Steffen Vor allem kleinere Versicherer fürchten „Solvency II", die angestrebte Reform des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa, das vor allem auf die Solvabilitätsvorschriften für die Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen abzielt. Während der Handelsblatt Jahrestagung „Assekuranz im Aufbruch" (www.assekuranz-im-aufbruch.de) schlug Dr. Thomas Steffen (Foto), Erster Direktor der Versicherungsaufsicht BaFin (www.bafin.de), moderate Töne an. „Es ist nichts in Stein gemeißelt, wir müssen es bitte testen", sagte Dr. Steffen von der BaFin. Er kritisierte, dass die EU keinen generellen Test des solvency-II-Modells vorhabe, wie das die europäische Aufsicht Ceiops (www.ceiops.org) begrüße. „Niemand möchte die Industrie überfordern." Nun müsse die Branche zum Test bereit sein. Er könne sich vorstellen, dass die Finanzaufsicht eine Art Bestandsgarantie für bestehende Instrumente anstrebe, was den Übergang erleichtern könne. Der gesteckte Zeitplan zur Einführung von Solvency II sei vorerst gestoppt. Dr. Steffen machte deutlich, dass er nichts dagegen hätte, wenn die EU-Kommission beschließen würde, dass Solvency II erst 2013 komme. (Bisher war stets von 2012 die Rede.)

Rolf-Peter Hoenen Der bisherige Widerstand der Versicherer gegen die neuen EU-Kapital- und Aufsichtsregeln scheint inzwischen weitgehend gebrochen. Man wolle sich aufeinander zu bewegen, aber zum Anhängsel wollen sich die Versicherer jedoch nicht machen. Rolf-Peter Hoenen (Foto rechts), Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de), hatte zuvor auf der Handelsblatt Jahrestagung der Versicherungsbranche deutlich gemacht, dass ihm inhaltliche Fragen bei der Ausrichtung der Versicherungsaufsicht wichtiger seien als zeitlicher Druck.

„Versicherungen sind keine Banken. Eine Feststellung, die banal klingt, aber nicht ist, wenn man sich die aktuelle Diskussion um die notwendigen regulatorischen Konsequenzen aus der Finanzkrise anschaut", sagte Hoenen. Der GDV-Präsident fand deutliche Worte: „Immer wieder werden Versicherungen mit Banken als Adressaten der Regulierungen in einem Atemzug genannt. Wieso eigentlich? Die Geschäftsmodelle von Versicherern und Banken unterscheiden sich fundamental: Das Kerngeschäft von Versicherungen besteht in der Übernahme und dem Ausgleich von Risiken. Versicherer gehen Verpflichtungen ein - dafür erhalten sie im Gegenzug Prämien. Sie sind also Kapitalsammelstellen und haben aufgrund der regelmäßigen Einnahmen kein strukturelles Refinanzierungsproblem. Das Kerngeschäft der Banken, die Kreditvergabe, setzt dagegen eine ständige - auch kurzfristige - Refinanzierung voraus."

Herkules Die Versicherer wehrten sich bisher heftig gegen Empfehlungen der europäischen Aufsicht, zu der auch die BaFin gehört. Danach sollte die Branche verpflichtet werden, im Rahmen des neuen EU-Regelwerk Solvency II ab 2012 deutlich mehr Kapital zurückzulegen als bisher. Begründer wurde das vor allem mit der Finanzkrise, auf die reagiert werden müsse. „Ich bleibe dabei: Wenn wir keine Lehren gezogen hätten, hätte man uns 2011 oder 2012 dafür an Kreuz genagelt", sagte Dr. Steffen. Es sei zuversichtlich, dass man zu einer einvernehmlichen Lösung komme. „Solvency II ist eine Herkulesaufgabe, aber am Ende des Tages wird es tragbar für alle Beteiligten sein."

„Solvency II" ist ein Projekt der EU-Kommission zu einer grundlegenden Reform des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa, vor allem der Solvabilitätsvorschriften für die Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen. Am 10. Juli 2007 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Solvency II-Rahmenrichtlinie dem Europäischen Parlament und Rat vorgelegt. Anfang April 2009 konnten sich Unterhändler der 27 Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments auf neue Aufsichts- und Eigenkapitalregeln Solvency II verständigen. Solvency II wurde am 22. April 2009 vom EU-Parlament und am 10. November 2009 von den EU-Finanzministern verabschiedet. Nach Erlass der entsprechenden Durchführungsbestimmungen soll Solvency II voraussichtlich von 2012 an national umgesetzt werden.

 

Es wird ein 3-Säulen-Ansatz für ein ganzheitliches System zur Gesamtsolvabilität verfolgt. Neben quantitativen (steht jederzeit ein ausreichendes Solvenzkapital zur Verfügung?) werden hier auch qualititive Aspekte (besteht ein adäquates Risikomanagementsystem im Unternehmen?) betrachtet.

Der Zeitplan wackelt. Im Streit um den Fahrplan für Basel II und Solvency II wurden so genannte Feldstudien „QIS" gefahren. Jetzt heißt es, dass nach den Cheiops-Vorschlägen auf Basis der Feldstudie QIS 4 deutlich wurde, dass es für die Versicherer „gewaltige Summen" ginge. Allein die börsennotierten europäischen Versicherer könnten durch die verschärfte Eigenkapitalanforderung zusätzliches Kapital von 80 bis 120 Milliarden Euro benötigen. Die Branche müsste - Expertenberechnungen zufolge - ab sofort jährlich rund 30 Milliarden Euro Kapital aufnehmen, damit sie bis zur endgültigen Einführung von Solvency II bis 2012/2013 ihren Bedarf decken könnte. Nicht börsennotierte Gesellschaften sind in dieser Berechnung noch nicht berücksichtigt.

Es dürfe nun nicht zu einer Überforderung der Branche - oder gar zu einer Konsolidierungswelle kommen, merkte Dr. Steffen an. Es gehe jetzt um „Qualität vor Geschwindigkeit", sagte der Chef der deutschen Versicherungsaufsicht. Deswegen solle der Zeitplan zur Einführung von Solvency II gelockert werden. (eb-db / www.bocquel-news.de)

zurück

Achtung Copyright: Die Inhalte von bocquel-news.de sind nach dem Urheberrecht für journalistische Texte geschützt. Die Artikel sind ausschließlich zur persönlichen Lektüre und Information bestimmt. Abdrucke und Weiterverwendung - beispielsweise zum kommerziellen Gebrauch auf einer anderen Homepage / Website oder Druckstücken - sind nur nach persönlicher Rücksprache mit der Redaktion (info@bocquel-news.de) gestattet.