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Konzepte und Kriterien

Wer von rechts kommt, hat nicht immer Vorfahrt

5. August 2024 - Wer von rechts kommt, hat Vorfahrt. Auch dieses eherne Gesetz für Autofahrer birgt Ausnahmen: Es gibt einige Ausnahmen vom Rechts-vor-Links-Grundsatz. Eine davon: Wenn der von rechts Kommende über einen abgesenkten Bordstein fährt. Kommt es dann zu einem Unfall, droht dem von rechts kommenden Autofahrer die volle Haftung.

Das Landgericht LG Lübeck hat einen Autofahrer als schuldig verurteilt, obwohl er mit seinem Fahrzeug „von rechts“ kam und so einen Unfall baute. (Siehe Urteil v. 26.01.2024, 17 O 158/22).

Zum Sachverhalt: Ein von rechts kommender Autofahrer kollidierte beim Überfahren eines abgesenkten Bordsteins mit einem geradeaus fahrenden Fahrzeug. Der Kläger, Fahrer des geradeaus fahrenden Pkw, verlangte von der Haftpflichtversicherung des von rechts Kommenden unter anderem den Ersatz des an seinem Fahrzeug entstandenen Schadens in Höhe von gut 4.300 Euro.

Doch tatsächlich verweigerte der Versicherer des Beklagten die Zahlung mit der Begründung, der Versicherte sei von rechts gekommen und habe daher Vorfahrt gehabt.

Von rechts kommender Autofahrer haftet zu 100 Prozent
Das Landgericht Lübeck jedoch hielt den Beklagten für voll schuldig, obwohl er von rechts kam. Er hafte zu 100 Prozent, das ergebe die Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 2 StVG, so das Gericht.

Der Fahrer des von rechts kommenden Pkw habe gegen § 10 StVO verstoßen. Danach hat sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone, aus einem verkehrsberuhigten Bereich oder von einem anderen Straßenteil oder über einen abgesenkten Bordstein auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will.

„Beweis des ersten Anscheins spricht für Schuld des von rechts kommenden Autofahrers“, beharrten die Richter: Bei einem Unfall im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Einfahrt spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein schuldhaftes und unfallursächliches Fehlverhalten des Einfahrenden.

Keine Sonderreglung auf öffentlichen Parkplätzen
Im vorliegenden Fall spreche vieles dafür, dass der von rechts kommende Beklagte von einer von einem P+R-Platz getrennten öffentlichen Straße gekommen sei und damit von einem Grundstück auf die Straße eingefahren sei. Letztlich komme es aber nicht darauf an, ob er von einer öffentlichen Straße oder von einem P+R-Platz gekommen sei. Denn er sei eindeutig über einen abgesenkten Bordstein auf die Fahrbahn gefahren. Die Regelungen des § 10 StVO seien grundsätzlich auch auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz anwendbar (vgl. auch BGH, Urteil vom 15.12.2015, VI ZR 6/15).

Das Gericht sah keine Erschütterung des ersten Anscheins - im vorliegenden Fall. Hierzu hätte die Beklagte Umstände darlegen und beweisen müssen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt. Solche Umstände waren nicht ersichtlich, machten die Richter am Landgericht Lübeck deutlich.

Der Verstoß gegen § 10 StVO wiege so schwer, dass die Betriebsgefahr des gegnerischen Fahrzeugs dahinter zurücktrete (LG Lübeck, Urteil v. 26.01.2024, 17 O 158/22). (-el / www.bocquel-news.de)

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