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Konzepte und Kriterien

US-Life Settlements: Vermögenswert vergessen?

21. Juni 2021 - Der Lebens-Versicherungs-Zweitmarkt wird immer interessanter, seit die Leben-Branche hierzulande Garantien und Zinsen bei LV-Policen kaum mehr bedienen kann. Hierzulande noch immer im Aufbau ist der US-Lebensversicherungszweitmarkt längst erfolgreich mit dem An- und Verkauf der „gebrauchten“ LV-Policen.

Die Null-Zinsen-Politik der EZB Europäischen Zentralbank macht es besonders den Lebensversicherern hierzulande schwer, ihren Kunden attraktive Policen und Renditen anzubieten. Der LV-Zweitmarkt ist auf europäische Ebene als BVZL Bundesverband Vermögensanlagen (www.bvzl.de) aktiv, führt aber immer noch ein Schattendasein. Das ist in den angloamerikanischen Länder anders. Mittlerweile hat sich der US-Zweitmarkt entsprechend reformiert und trifft auch im europäischen Markt vor allem in den deutschsprachigen Regionen – inklusive Schweiz und Österreich - auf Interesse. Dr. Rainer Grünig, CEO und Portfoliomanager der Plenum Investments AG (www.plenum.ch), macht im Interview mit den bocquel-news deutlich, weshalb in der Branche und im US-Life Settlements von den vergessenen Vermögenswerten gesprochen wird.

Herr Dr. Grünig, Sie sind Experte für den US-Lebensversicherungszweitmarkt. Was muss man sich darunter vorstellen?

Dr. Grünig: Obwohl der grundlegende Zweck der US-Lebensversicherung darin besteht, den Erben oder Begünstigten gegen die wirtschaftlichen Risiken des Todes des Versicherten zu schützen, kann eine Todesfall-Risikoversicherung auch durch den Rückkauf an den Versicherer oder den Verkauf auf dem Zweitmarkt einen Wert für den einzelnen Versicherungsnehmer generieren.

Eine Police verfällt, wenn die Prämie nicht bis zum Ende einer bestimmten Zeitspanne gezahlt wird. Versicherungsnehmer verwenden ihre Policen, um finanzielle Notlagen zu beheben oder langfristige Ziele zu erreichen. Dabei verkaufen sie die in einer fernen Zukunft liegende Ablaufleistung gegen einen geringeren Betrag, der heute entrichtet wird, was die bessere Option darstellt, als die Police durch Nichtbezahlen der Prämie wertlos verfallen zu lassen oder sie der Versicherung zum Rückkauf anzubieten.

Allerdings: Auf dem Zweitmarkt erhält der Policen-Inhaber in der Regel ein Vielfaches des Rückkaufswertes. 2019 wurden auf diese Weise Policen im Nominalwert von über 3 Milliarden US-Dollar (entspricht mehr als 2,5 Milliarden Euro) gehandelt.

Inwiefern können Investoren in Deutschland davon profitieren?

Dr. Grünig: Der Zweitmarkt für US-Lebensversicherungen bietet Investoren sowohl Rendite- als auch Diversifizierungs-Potenzial, das kaum von makroökonomischen Faktoren wie etwa Konjunktur oder Zinsniveau abhängig ist. Die Wertentwicklung unterliegt neben Angebot und Nachfrage keinen komplexen Algorithmen oder einer Vielzahl von Einflussfaktoren, sondern basiert lediglich auf der Sterblichkeit der Versicherten, die naturgemäß keine nennenswerte Korrelation mit anderen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffen, aufweist.

Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der Ertrag der Investition nicht zwingend durch eine Veräußerung erzielt werden muss. Life Settlements sind selbstliquidierend, was eine einfache Buy-and-Hold-Strategie ermöglicht. Ferner profitieren Anleger in Life Settlements von ihrer Senior Debt Eigenschaft. Denn im Konkursfall einer Versicherung haben die Versicherungsnehmer gegenüber anderen Gläubigern Vorrang. Diese Eigenschaft wird in Zeiten steigender Verschuldung vermehrt an Bedeutung gewinnen.

In einem kürzlichen Kommentar sprechen Sie davon, dass der US-Lebensversicherungszweitmarkt zurück ist. Wo lagen die Probleme in der Vergangenheit?


Dr. Grünig: Nach Angaben des US-Policenankäufers Magna verzeichnet der US-Zweitmarkt in den letzten Jahren eine durchschnittliche Wachstumsrate von 34 Prozent. Das war nicht immer so: Ein wesentlicher Grund hierfür war anfänglich die fehlende Transparenz, die dazu führte, dass das Interesse vieler Investoren am Zweitmarkt für US-Lebensversicherungen während und vor allem direkt nach der Finanzkrise stark zurückging.

Treiber für Kursrückgänge der Life Settlement-Fonds waren zu hohe Bewertungen der Policen, zu geringe Reserven zur Finanzierung der Prämien und hoher Verkaufsdruck der Fonds. Die damaligen Lebenserwartungsschätzungen waren mit großen Unsicherheiten behaftet. Fehlende Transparenz erlaubte es einigen Marktteilnehmern, die Komplexität der Erstellung von Lebenserwartungsschätzungen zum eigenen Vorteil auszunutzen.

Was hat sich in der Zwischenzeit geändert?

Dr. Grünig: Überarbeitete Mortalitäts-Statistiken, repräsentativere mathematische Modelle, belastbare empirische Daten und effiziente Bewertungsmethoden konnten das Interesse der Investoren wieder neu entfachen. Auch ist die verbesserte Regulierung zu nennen, die das Vertrauen wieder anwachsen ließ.

Die Lebenserwartung ist ein entscheidender Faktor. Wie hat sie sich entwickelt?

Dr. Grünig: Die Lebenserwartung in den USA hat sich dem American Council of Life Insurers zufolge dramatisch verbessert. Ein 25-jähriger Amerikaner kann heute davon ausgehen, im Schnitt noch 54,7 Jahre zu leben. Im Jahr 1900 waren das nur 39,1 Jahre gewesen. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines 2018 geborenen Amerikaners beträgt 76,2 Jahre, die einer Amerikanerin 81,2 Jahre. Die National Association of Insurance Commissioners musste die statistische Altersobergrenze auf ihren Sterbetafeln bereits auf 120 ausdehnen.

Bis 2030 werden alle Babyboomer 65 Jahre und älter und jeder fünfte US-Bürger im Rentenalter sein. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 waren etwa 15 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre und älter. Die Nation altert und das volle Gewicht der Babyboomer-Generation beginnt, auf die Altersdemografie in Amerika zu drücken. Eine Hauptsorge sind die unerschwinglichen Kosten für die US-Gesundheitsversorgung. Viele lernen gerade, dass der vergessene Vermögenswert der Lebensversicherung monetarisiert und zur Finanzierung der Langzeitpflege verwendet werden kann. Das gilt mit einigen anderen Vorzeichen im deutschsprachigen Raum übrigens auch.

Für Versicherer dürfte es aber nicht besonders attraktiv sein, wenn die Kunden immer länger leben.

Dr. Grünig: Doch, im Gegensatz zu Pensionskassen stellt die Langlebigkeit für Lebensversicherer keine große Herausforderung dar, denn sie erhält dadurch ja länger die Prämien einbezahlt, bevor sie die Todesfallleistung erbringen muss. Sie kann die Finanzierung somit längerfristig ausrichten. Die Bedeutung der Lebensversicherung nimmt nach Volumen, Zahl und Umsätzen in den USA stetig zu, wobei die Einzellebensversicherung die am weitesten verbreitete Form ist und 2019 etwa 62 Prozent aller Lebensversicherungen ausmachte. Der individuelle Lebensversicherungsschutz belief sich Ende 2019 auf 12,4 Billionen US-Dollar (mehr als 10,43 Milliarden Euro) und ist seit 2009 um 1,8 Prozent pro Jahr gewachsen.

Während die steigende Lebenserwartung die Versicherten belastet, kann der Zweitmarkt davon profitieren: Eine höhere Lebenserwartung bedeutet einen höheren Abschlag auf den realisierbaren Verkaufspreis; der Investor will sich das höhere Risiko entschädigen lassen.

Gleichzeitig steigt mit der Lebenserwartung beim Versicherungsnehmer der Druck, die Police zu verkaufen, denn damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungszweck letztlich wegfällt. Der Druck, die im hohen Alter überproportional ansteigenden Prämien weiterhin zu zahlen, fällt mit dem Verkauf ebenfalls weg – das übernimmt künftig der Investor.

Mit steigender Lebenserwartung nimmt die Zahl der Menschen zu, die sich zu solchen Themen überhaupt Gedanken machen dürften. Somit steigt auch das Angebot an Policen. Für den Käufer einer Police stellt der Anstieg der Lebenserwartung kein erhöhtes Risiko dar, da damit der Kaufpreis sinkt. Die Verzinsung des Investments, das heißt der Satz, der bei der Abdiskontierung der Cash Flows zur Anwendung kommt, bleibt damit unverändert.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.                                                                                (-el / www.bocquel-news.de)

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