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Konzepte und Kriterien

Terror, Cyberrisiken und „Feinde“ der Assekuranz

18. Juni 2018 - Was steckt in den neuen Risiken? Verändern neue Entwicklungen und Rahmenbedingungen die Assekuranz? Bei einem Branchen-Treff, dem Marktforum des Rückversicherungsmaklers Aon Benfield, lieferten sich Experten am vergangenen Donnerstag in Hamburg einen lebendigen und aufschlussreichen Schlagabtausch.

Dem am 14. Juni von der Bundesregierung beschlossene Gesetz zur Musterfeststellungs-klage widmete Jan-Oliver Thofern, ganz aktuell eine kurze Einschätzung. Der Chairman & CEO des Rückversicherungsmaklers Aon Benfield (www.aon.com/germany/rueckversicherung) sagte als Gastgeber des Aon Benfield Marktforums, dass die Musterfeststellungsklage sicherlich für Verbraucher Rechtsschutzlücken schließe, aber für die Versicherer hierzulande auch ein größeres Haftungsrisiko bedeute. Letztendlich würden aber mehr Risiken auch das Geschäft weiter beleben. Auf die Themen des Marktforums ausgeweitet könnte man fast von einer neuen Blütezeit für die Assekuranz sprechen.

So seien Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den anstehenden Problemen durch Cyberattacken, Terrorangriffe, Naturkatastrophen und Protektionismus zwar gefährlich, denn die Welt sei beileibe nicht ungefährlicher geworden. Das ganze Gegenteil sei der Fall. Aber – so Jan-Oliver Thofern – das gerade bedeute weitere große Herausforderungen für die Branche. Jahrzehntelang gewachsene Verkrustungen in der Branche könnten aufgebrochen werden. „Wir stehen vor einer Blütezeit der Versicherungsbranche“, ist sich der Aon-Benfield-Chairman sicher.

Markus Rieß, Chef der Ergo Versicherungsgruppe (www.ergo.com) stieg mit seinem Redebeitrag über die „Digitalisierung – Strategie einer Erstversicherungsgruppe“ in den Tagungsablauf ein. Die Versicherer müssten die Digitalisierung jetzt mit noch mehr Nachdruck vorantreiben. Das Erfolgsrezept bestehe in der vollständigen Integration aller Kanäle. Erst wenn die Kunden nahtlos von digitalen Zugangswegen zum Telefon oder zum Vermittler wechseln könnten, funktioniere Digitalisierung richtig. Vor allem aber dürfe man die Digitalisierung nicht nur auf die Kundenschnittstelle reduzieren. „Das ist kategorisch falsch“, sagte der Ergo-Chef. Die neuen Technologien werden laut Markus Rieß das gesamte Geschäftssystem umkrempeln.

In Bezug auf die rein digitalen Marktteilnehmer, mehrheitlich die InsurTechs, sieht Markus Rieß wenig Gefahr, dass man sich tatsächlich in die Quere komme. „Das rein digitale Modell ist eine andere Art der Digitalisierung“, sagte Markus Rieß und erklärte, dass es bei diesen InsurTechs mehr um die Skalierung gehe. Ergo selbst hat im Herbst vergangenen Jahres mit nexible (www.nexible.de) einen eigenen digitalen Versicherer gegründet (siehe bocquel-news 30. November 2017 nexible mit erster voll digitalen Kfz-Versicherung).

Derzeit sind bei nexible 16 Mitarbeiter tätig, die jetzt schon rund 40.000 Risiken versichern. „Wenn es irgendwann mal 500.000 Risiken sind, werden es immer noch 16 Mitarbeiter sein – oder höchstens 20.“ Rieß machte deutlich, dass sein Unternehmen bewusst für nexible einen eigenen Namen gewählt habe, um den Unterschied deutlich zu machen. Es sei keine Frage dass rein digitale Anbieter nicht alle Kunden ansprechen würden. Rieß ist der Meinung, dass solche, rein digitalen Anbieter letztendlich nur bis zu 20 Prozent des Gesamtgeschäfts ausmachen werden. Demnach könnten InsurTechs den traditionellen Versicherern auch nicht gefährlich werden.

Wer Voice hat, dem gehört die Zukunf
Anders bei den Start-ups, die sich mit Systemen der Spracherkennung beschäftigen. Nicht die bisherigen InsurTechs werden eine Revolution bringen, sondern die Start-ups, die mit ‚Voice‘ arbeiten. Markus Rieß: „Über Start-ups, die sich mit Voice beschäftigen, werden wir auch noch in zehn Jahren reden.“

Der Vorstandsvorsitzender des Rückversicherers Hannover Rück (www.hannover-rueck.com), Ulrich Wallin, der ebenfalls beim Marktforum in Hamburg sprach, sieht InsurTechs nicht generell als Bedrohung an. Allerdings dürfe man die Internetgiganten Amazon aus den USA und Alibaba in China nicht unterschätzen. Wallin sieht in den Wettkampf, den diese Riesenkraken gerade gegeneinander anzetteln, als Gefahr für die hiesigen Versicherer an, die dabei ins Abseits geschoben werden könnten.

Der Hannover-Rück-Chef erinnerte daran, dass die ersten Start-ups zwar als Angreifer gegen die konventionellen Assekuranzen angetreten seien, doch das habe sich jetzt gelegt. Wallin: „Sie hatten wegen ihrer hohen Komplexität großes Potenzial für Vereinfachung.“ Ihre Gründer, die nicht aus der Branche kamen, zielten lediglich auf die Kundenschnittstelle ab. Jetzt werde deutlich, dass sie ohne Versicherer gar nicht arbeiten könnten.

Dann kam Ulrich Wallin auf die InsurTechs zu sprechen, die sich wie Ottonova und Friday als vollwertige Versicherer verstehen. Wallin sieht in ihnen dennoch eher Freunde als Konkurrenten. Diese beiden sind „relativ klein und in Nischen unterwegs“. Da es in der Versicherungsbranche noch kein ‚Uber‘ oder ‚Airbnb‘ gebe, seien die Digitalversicherer auch als Partner für die konventionellen Versicherer von Interesse. Der Hannover-Rück-Chef sieht hier eine mögliche Entwicklung zur Symbiose.

Keine Bedrohung, sondern großes Potenzial
Also keine Bedrohung, sondern vielmehr großes Potenzial für Rückversicherer, weil man InsurTechs rückversichern könne. „Sie brauchen wesentlich mehr Deckung als Erstversicherer“, sagte Wallin, sprach aber auch vom ‚Amazon-Effekt‘. Amazon schreckte im Januar 2018 die gesamte Branche mit der Ankündigung auf, gemeinsam mit JP Morgan Chase und Berkshire Hathaway einen Gesundheitsdienstleister zu gründen. Auch Alibaba, Apple, Samsung und Tencent würden verstärkt in das Gesundheitsgeschäft investieren, so dass Branchengrenzen zu verschwimmen beginnen. Aber kaum Geschäft für Rückversicherer, denn Amazon & Co haben laut Ulrich Wallin selbst genügend Kapital, so dass sie auch ohne Rückversicherer auskommen könnten.

Weil aber Amazon momentan erste Schritte in Richtung Versicherungsbereich unternehme, sieht Wallin hier auch die größte Herausforderung. So hat Amazon einen eigenen Gesundheitsdienstleister gegründet, mit dem der Internetgigant in Großbritannien in die Kfz-Versicherung einsteigen will. Weiteren Gerüchten zufolge will Amazon auch den Bereich Hausratversicherung anpeilen.  

Die Technologie-Riesen sehe man als eine größere Bedrohung an als digitale InsurTechs hierzulande. Amazon & Co haben genug Kapital und verfügen jetzt schon über den Zugang zum Kunden sowie zu dessen Daten. Wallin sieht eine Gefahr darin, dass „Versicherer in die Ökosysteme dieser Internetgiganten aufgesogen werden“. Übrigens berichtete Wallin auch, dass die Hannover Rück gerade eine Kooperation mit dem chinesischen Technologiekonzern Tencent geschlossen hat – zu dem Zweck eine Lebensversicherung mit dem Unternehmen in den Markt zu bringen.

Themenwechsel beim Marktforum am vergangenen Donnerstag in Hamburg – auf die Risiken durch Cyberkriminalität und Terroranschläge. Jan Störmann, Chief Underwriting Officer der Allianz SE Reinsurance, zog die Aufmerksamkeit mit einem Videoausschnitt des Uralt-Films Star Trek auf sich, in dem schon Captain Kirk sagte: „Risk is our business”.

Hiermit komme man auf den Punkt und zurück zum Kerngeschäft der Versicherungswirtschaft – nämlich Risiken zu übernehmen.

Auf dieser Ebene seien auch die neuen Herausforderungen zu sehen, die mit der Digitalisierung und schließlich auch mit Cyberrisiken auf die Assekuranz zukommen. Störmann: „Jedes neue Risiko ist eine neue Herausforderung. Wir müssen flexibel bleiben, um auf Veränderungen der Landschaft reagieren zu können.”

Schwieriger werde das mit dem Terrorismus, der plötzlich massiv „aus dem Blauen heraus“ auftaucht. Dagegen könnten „uns Cyber-Risiken nicht aus dem Blauen heraus treffen”. Es habe sich zuletzt gerade auf der Angebotsseite viel getan. Allerdings sei die Nachfrage immer noch schwach. Wenn die Versicherer nun auch im eigenen Umfeld mehr Transparenz schaffen würden, wäre es für die Kunden leichter, die Risiken in eigenen Unternehmen zu verstehen, und dass sie gemanagt werden müssten. Es gelte, das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Cyberversicherungen zu wecken oder auch zu stärken.

Bernd Zens, Mitglied des Vorstandes der DEVK Allgemeine Versicherungs-AG (www.devk.de) ging die gesamte Thematik aus Sicht eines Versicherers mit Ausschließlichkeitsvertretern an. Er betonte, dass noch die alten Gesetze der Branche gelten, nach denen Versicherungen eher verkauft als gekauft werden. Deshalb werde auch die Ausschließlichkeits-Organisation (in seinem Unternehmen) der wichtigste Kommunikationskanal bleiben. Wie das in zehn Jahren aussehe, bleibe offen.

Das Marktforum endete mit einer Podiumsdiskussion, an der Jan Störmann, Jan-Oliver Thofern, Ulrich Wallin und Bernd Zens teilnahmen. Marc Surminski, Chefredakteur der Zeitschrift für Versicherungswesen brachte mit seiner eloquenten Moderation alle heißen Eisen der aktuellen Problematik nochmals auf den Punkt und sorgte für eine lebhafte Diskussion – auch mit den Tagungsteilnehmern im Plenum.

Dabei kam unter anderem auch nochmals zur Sprache, dass die neuen Trends – wie etwa Versicherungen-on-demand - mit Vorsicht begegnet werden sollte. Hier würde der Versicherungs-gedanke, Risiken auf Basis einer großen Zahl zu versichern, ausgehebelt. Außerdem müsse bei einer entsprechend hohen Risiko-Eintrittswahrscheinlichkeit eine sehr hohe Prämie verlangt werden.

Beim Thema Cyberversicherung waren sich die Diskutanten einig, dass hier weiter großes Potenzial bestehen, dem aber ein vernünftiges Pricing verpasst werden müsse. Es sei kaum bekannt, ob ein Cyberversicherer bereits kostendeckend arbeiten könne. Aber mit zu hohen Prämien oder zu vielen Ausschlüssen sei das wenig real. Die Rückversicherer sehen hier auch noch die Problematik durch damit verbundene Kumulrisiken auf sich zukommen.

„Da ist noch viel Dynamik drin”
Gastgeber Jan-Oliver Thofern machte auch nochmals deutlich, dass sich die Eintrittsbarrieren durch neuen Technologien reduzieren. Die Assekuranzen würden mit neuen Geschäftsmodellen entlang der Wertschöpfungskette versuchen einzudringen – im Ergebnis auch mit viel Innovation in die Finanzierung von Versicherungsrisiken. „Da ist noch viel Dynamik drin”, sagte der Chairman & CEO des Rückversicherungsmaklers Aon Benfield. (-el / Fotos E. Bocquel / www.bocquel-news.de)

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