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Schadet Run-off-Diskussion den Lebensversicherern?

13. November 2017 - Ein Rauschen geht durch die Zeitungsblätterwald. Und auch in den elektronischen Medien geht es rund. Vom „Ausverkauf der Versicherungs-bestände“ ist die Rede. Und: „Einzelne Versicherer beschädigen Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher schwer.“ Jetzt will sich die Politik hörbar einschalten.

Seit die Ergo Group (www.ergo.de) und die Generali in Deutschland (www.generali.de) angekündigt haben, Überlegungen zum Verkauf von Teilen ihrer Lebensversicherungsbestände anzustellen, geht ein Riss durch die Branche (siehe bocquel-news 16. Oktober 2017 Für diese Versicherer ist Run-off absolut kein Thema). Jetzt mischt sich der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (www.cducsu.de), Ralph Brinkhaus, ein:

„Die Diskussion in der Versicherungsbranche, nicht mehr rentable Bestände von Versicherten an Dritte weiterzuverkaufen und das Neugeschäft einzustellen („Run-Offs“), nimmt an Fahrt auf. Wir stellen leider fest, dass verstärkt Run-Offs diskutiert werden: Was etwa im Bereich Lebensversicherungen nicht mehr genügend Rendite bringt, soll abgestoßen werden. Das werden wir in dieser Wahlperiode zu einem Regulierungsthema machen.

Wir werden uns sehr genau anschauen, welche Nachteile das möglicherweise für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit sich bringt. Langfristig können durch die Abwicklung und die Einstellung des Neugeschäfts sowohl Auswirkungen auf die Diversifikation, als auch auf die Liquidität entstehen. Wir gehen davon aus, dass die BaFin sich im Rahmen ihrer Aufsicht die Fälle sehr genau anschaut.

Auch wenn es nur einzelne Versicherer sind, schadet dieses Verhalten doch der Branche insgesamt. Fast nirgendwo sonst ist Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher so wichtig wie beim Abschluss einer Lebensversicherung. Wer bei einem bestimmten Versicherer einen Vertrag abgeschlossen hat, verlässt sich auf eine lange - teilweise lebenslange - Bindung.“ Sowiet die Worte des Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus.

In einem Interview mit „Euro am Sontag“ (www.finanzen.net) wurde der Talanx-Konzern-Chef Herbert K. Haas zum Thema Run-off und der Maßgabe, dass viele Konkurrenten Bestände von Lebensversicherern stillgelegt oder verkauft haben, befragt. Zudem hält die Hannover Rück Anteile an Viridium, einem Spezialisten für solche Abwicklungen von Lebensversicherungen.

Zur Frage, ob es nahe liegen würde, dass Talanx Lebensversicherungen aus dem eigenen Bestand an Viridium weitergibt, antwortete Haas: „Wir haben dies als eine Option vor ungefähr vier Jahren analysiert, sind aber zu dem Schluss gekommen, dass das Geschäft mit Lebensversicherungen ein wichtiger strategischer Pfeiler von Talanx in Deutschland ist. Wir werden keine Bestände in die Abwicklung schicken, weder konzernintern noch extern durch Verkauf an andere.“

Fachjournalisten und Versicherungsmathematiker gehen Fakten auf den Grund
Niklas Hoyer, stellvertretender Ressortleiter Geld bei der WirtschaftsWoche (www.wiwo.de), hat vergangene Woche hinterfragt, wie gefährlich es für den Kunden ist, wenn Unternehmen wie Generali und Ergo zusammengenommen 10 Millionen Lebensversicherungsverträge verkaufen wollen. Die Käufer (Investoren) werden prächtig verdienen. Was das aber tatsächlich für die Kunden bedeuten kann, bleibt meistens unerwähnt. Hoyer stellt die These auf, dass die Kunden möglicher Weise trotzdem nicht leiden werden und untersucht auch, weshalb sich der Run-off für die Versicherten sogar lohnen könnte.

Aufkäufer wie Viridium & Co.
Zunächst analysiert der Fachjournalist, die Aufkäufer, die bereit stehen, die LV-Bestände zu übernehmen. Da wird beispielsweise Viridium (www.viridium-gruppe) genannt, die eigenen Aussagen zufolge als Konsolidierungs-plattform für Lebensversicherungen bereits rund 1 Million Verträge verwaltet. Der Finanzinvestor Cinven (www.cinven.de) und der Rückversicherer Hannover Rück (www.hannover-rueck.de) stehen dahinter.

Auch die Frankfurter Leben (www.flgruppe.de), die mehrheitlich im Besitz des chinesischen Investors Fosun (www.fosun.com) ist, übernahm im Juni diesen Jahres die Bestände der Arag Lebensversicherung.

Inzwischen wurde bekannt, dass die Bermuda-Gesellschaft Athene (www.athene.de) bis zu 2,2 Milliarden Euro in die Hand nehmen will, um LV-Bestände aufzukaufen. In der WirtschaftsWoche ist dazu zu lesen, dass die Verbraucherschützer das kritisieren. „Die Finanzinvestoren, die vulgo ‚Heuschrecken‘, hätten keinen Anreiz, den Kunden mehr als unbedingt nötig zu zahlen. Den Lebensversicherern liege originär viel daran, Überschüsse zu verteilen, um damit Kunden zu locken. Das aber – so der Autor des WiWo-Berichts, könnte den Investoren egal sein, denn sie kaufen ja nur und werden kein Neugeschäft für diesen Bestand starten.

Sind die Sorgen übertrieben?
Und so schreibt Niklas Hoyer weiter: „Trotzdem könnten die Sorgen übertrieben sein. Denn hohe Überschüsse schafft bei diesen niedrigen Zinsen kaum ein Versicherer mehr. Alle müssen heute sehr sicher anlegen, damit Verluste nicht dazu führen, dass sie ihren Kunden den ihnen garantierten Zins nicht mehr zahlen können. Sichere Geldanlagen bringen aber nichts mehr ein, dadurch wird der finanzielle Spielraum noch knapper – ein Teufelskreis. So müssten Versicherte schon froh sein, wenn die Anbieter wenigstens dauerhaft die Zinsgarantien erfüllen können. – Und was wenig bekannt: An diese Garantien sind auch die Investoren gebunden.

Beim GDV wird in diesem Zusammenhang gern an die Auffanggesellschaft Protektor (www.protektor-ag.de) erinnert, unter dessen Dach seit 2003 die Leben-Bestände der ehemaligen Mannheimer verwaltet wurden, bis sie im April 2017 auch in die Viridium Gruppe eingebracht wurden (bocquel-news 6. April 2017 Viridium Gruppe übernimmt den Protector-LV-Bestand). In alle den Jahren blieb die Höhe der laufenden Überschussbeteiligung der früheren Mannheimer Kunden in gleicher Höhe. Da Protektor kein Neugeschäft generierte, blieben die Verwaltungskosten extrem niedrig – alles zugunsten der Kunden.

Es gibt zugkräftige Argumente
Auch in der WirtschaftsWoche wird ein zugkräftiges Argument genannt, weshalb letztendlich die Kunden im Falle eines Run-offs nicht verlieren, sondern von den Aufkäufern profitieren können. Solche Investoren werden, um ihren Schnitt zu machen, vor allem Kosten senken. Lebensversicherer müssen zusätzliche Kapitalerträge nämlich zu 90 Prozent an ihre Kunden ausschütten. An Überschüssen, die entstehen, weil Kosten geringer als erwartet sind, müssen sie die Kunden nur zur Hälfte beteiligen. Die andere Hälfte dürfen die Investoren behalten.

„Daraus folgt, dass Aufkäufer in der heutigen Marktlage den Schwerpunkt auf die Realisierung von Gewinnen aus dem Kostenbereich legen“, wird der Versicherungsmathematiker Bernd Heistermann zitiert. „Die Chancen für eine annehmbare Rendite seien dabei gar nicht so schlecht und könnten pro Jahr 10 Prozent ausmachen.

Die WirtschaftsWoche hat die Rechnung auf die tatsächlich zum Verkauf stehenden Bestände übertragen. Unterstellt wird, dass Aufkäufer als Kaufpreis das derzeit im Lebensversicherer eingezahlte Eigenkapital zahlen. Bei Ergo und ihren Beständen aus der ehemaligen Victoria wären das laut WiWo insgesamt 1,3 Milliarden Euro, bei Generali Leben werden rund 550 Millionen Euro genannt.

Bernd Heistermann geht dann davon aus, dass Aufkäufer die Kosten um 30 Prozent drücken könnten, zumal die Marketingkosten ebenso wie die Provisionen für die Versicherungsvermittler künftig wegfallen (siehe nebenstehender Screeshot von der Veröffentlichung in der WirtschaftsWoche . Auch die IT-Aufwendungen dürften sinken. So könnten Investoren bei gesparten 30 Prozent bei der Ergo Leben dann 8 Prozent pro Jahr einstreichen, bei der Generali Leben wären es immer noch 7 Prozent Rendite. Nur die Victoria würde wegen bereits relativ geringer Kosten voraussichtlich 1,3 Prozent bringen.

Wenn die Run-offs von Generali und Ergo so erlaufen könnten, wie das im Falle der Mannheimer Leben war, brauchen die Kunden/Versicherten keine Verluste befürchten. (-el / www.bocquel-news.de)

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