13. September 2018 - Um die „Gerechtigkeit im deutschen Gesundheitssystem“ ging es beim 18. PKV-Forum. Am Dienstag lieferten sich Experten der Privaten Krankenversicherung, Gesundheits-Wissenschaftler, Politiker und Makler lebendige Streitgespräche beim Forum, das der Continentale Versicherungsverbund alljährlich Köln veranstaltet.
Einhellig die Meinung zum hohen Versorgungsniveau in Deutschland, doch in den Expertentalks beim 18. PKV-Forum des Continentale Versicherungsverbunds stellte sich auch heraus, dass die Meinungen am hochkarätig besetzten Podium bei Themen wie beispielsweise zur Pflegebedürftigkeit oder zur Bürgerversicherung weit auseinander trifteten. Erstmals in diesem Jahr wurde das Spektrum des Forums weitergefasst – über die Thematik der Privaten Krankenversicherung (PKV) hinaus. Die PKV werde zwar auch künftig die Hauptthematik des Forums bleiben, sagte Dr. Christoph Helmich, Vorstandsvorsitzender des Continentale Versicherungsverbunds (www.continentale.de), doch der Verbund wolle darüber hinaus jetzt auch die vier großen Risiken – wie Krankheit, Berufsunfähigkeit, Pflege und Langlebigkeit – in den Fokus rücken.
Als die Continentale das PKV-Forum im Jahr 2000 zum ersten Mal in Köln veranstaltete, wurde sie vor allem als Krankenversicherer wahrgenommen. Auch heute ist die Continentale Krankenversicherung a.G., übrigens im Ranking der Marktanteile der Krankenversicherer hierzulande auf Platz 8, ist weiterhin die Muttergesellschaft des Verbunds. Doch die Gruppe hat sich inzwischen auch in anderen Sparten entscheidend weiterentwickelt.
So lenkte Christoph Helmich einen Diskussionsschwerpunkt auf Ergebnisse der diesjährigen Continentale Studie zum Thema „Absicherung von Risiken – Was Vermittler glauben und was Kunden wirklich meinen“. „Vermittler glauben, ihre Kunden besitzen aus zwei Gründen häufig keine Personenversicherungen: Menschen schieben das Thema vor sich her und unterschätzen Risiken beziehungsweise ihren Vorsorgebedarf. Positiv für die Branche: Kaum ein Vermittler sagt, es liege an den Produkten. Diese seien bedarfsgerecht. Viele bemängeln jedoch, dass die Versicherungs- und Vorsorgethemen zu wenig im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen“, brachte Helmich ein Studienergebnis auf den Punkt.
Das Argument der Bevölkerung, der Versicherer beziehe sich auf Klauseln, um nicht zahlen zu müssen, spielt demnach in der Vermittlerbefragung nur eine untergeordnete Rolle. Doch ob begründet oder nicht: Für die Kunden ist die Angst vor Klauseln real. „Mit dieser Sorge müssen sowohl wir als Branche als auch die Vermittler umgehen“, betonte der Continentale-Chef. „Für Vermittler war es schon immer am wichtigsten, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen und zu erhalten. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass dies für die Beratung mehr denn je ein Schlüsselelement ist.“
Laut der aktuellen Continentale-Studie bezeichnen sich drei Viertel der Bevölkerung selbst als sicherheitsorientiert. Sie schützen ihr Hab und Gut, die eigene Person stellen sie jedoch hinten an. Dafür geben sie teilweise nur schwer nachvollziehbare Gründe an. Versicherungsvermittler bestätigen zwar die mangelnde Vorsorgebereitschaft, sehen dafür jedoch ganz andere Gründe.
Die repräsentative Befragung der Continentale, die in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Kantar TNS (www.tns-infratest.com) bei mehr als 1.000 Bundesbürgern im Alter ab 20 Jahren erstellt wurde, ergab unter anderem auch, dass rund drei Viertel der Deutschen den Schutz ihres Hausrates, ihrer Immobilie und ihres Autos wichtig finden. Über eine Pflegezusatzversicherung sagen dies allerdings nur 15 Prozent. Dabei halten sie die Gefahr, in den nächsten zehn Jahren pflegebedürftig zu werden, für genauso wahrscheinlich, wie im selben Zeitraum einen Autounfall zu verschulden.
Ebenfalls nur einer Minderheit ist die Absicherung ihrer Arbeitskraft (39 Prozent der Berufstätigen) wichtig. Die befragten Vermittler erleben die Auswirkungen dieser Kundenhaltung tagtäglich bei ihrer Arbeit. Sie müssen ihre Kunden aktiv ansprechen, damit sie die eigene Person absichern – bei Sachversicherungen kommen Menschen eher von sich aus. Woran liegt das?
So besagt ein Studienergebnis, dass die Bevölkerung diverse Gründe angibt, warum sie bestimmte Versicherungen für sich nicht wichtig findet. Demnach führen die Ergebnisse insgesamt zu einer These: Menschen argumentieren sich die Bedeutung von Versicherungen weg, um sich besser zu fühlen. So habe nur eine Minderheit in der Befragung angegeben, dass ihr die Absicherung wichtig sei, sie könne sie sich aber nicht leisten.
Urteil der Interviewer: Am Geld scheint es also vordergründig nicht zu liegen. Die Hauptbegründung ist demnach, dass der Versicherer im Ernstfall eh nicht zahle, weil er sich auf irgendwelche Klauseln berufe. Deshalb sei der Versicherungsschutz für sie auch nicht wichtig. Das Studien-Ergebnis zeigt, dass die Bevölkerung sowohl bei der Absicherung für den Fall von Pflegebedürftigkeit, Berufsunfähigkeit oder eines Unfalles als auch im Bereich ambulanter und Zahn-Zusatzversicherungen zu solchen Ausflüchten neigt. Die nebenstehende Grafik stammt aus der Continentale-Studie 2018 (zum Vergrößern bitte anklicken).
„Diese Begründung ist vor allem bei Versicherungen überraschend, bei denen sehr klar ist, wann geleistet wird, zum Beispiel bei Pflegetarifen“, machte Dr. Christoph Helmich deutlich. Bekannt ist demnach das Vorurteil bereits aus der Berufsunfähigkeitsvorsorge. Doch auch hier gelte, dass die Realität nicht der Wahrnehmung der Bevölkerung entspricht. Wie die Continentale feststellt, werden dagegen die meisten Leistungsanträge bewilligt. Nur 0,5 Prozent werden mit Hinweis auf Klauseln abgelehnt.
Die Experten des Forums am Dienstag widmeten sich dann auch übergreifenden Themen - wie etwa dem medizinischen Fortschritt, der sich nicht nur auf die Krankenversicherung, sondern auch auf die Lebensversicherung auswirkt.
Der medizinische Fortschritt vermittelt den Menschen den Eindruck, sie könnten in naher Zukunft ihre persönlichen Gesundheitsrisiken selbst besser einschätzen. Das wird spürbare Auswirkungen auf die Versicherer haben, glaubt der Chef des Continentale Versicherungsverbunds. Wenn nämlich nur die Menschen Pflege- oder Berufsunfähigkeitspolicen kaufen, die sie wahrscheinlich auch benötigen werden, könnte das für die Versicherbarkeit der Risiken problematisch werden, sagte er.
In den Expertentalks wurden auch aktuelle Problemstellungen der Krankenversicherung diskutiert. Teilweise kontrovers diskutierten da die Gesundheitsethikerin Prof. Christiane Woopen, der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, Continentale-Vorstand Dr. Marcus Kremer sowie Dr. Florian Reuther vom PKV-Verband und Bundesärztekammer-Präsident Prof. Frank Ulrich Montgomery und der Chef der Barmer Ersatzkasse Prof. Dr. Christoph Straub.
Eine weitere Talkrunde bestritten Dr. Alfred Beil, Leiter der medizinischen Risikoforschung beim Rückversicherer Munich Re, Continentale-Vorstandsmitglied Dr. Helmut Hofmeier und sein Vorstandskollege Dr. Marcus Kremer sowie Prof. Jürgen Wasem und Philip Wenzel, Vertriebsfachmann und Prokurist bei der ‚freche versicherungsmakler GmbH‘ tätig ist.
Beim Dreh- und Angelpunkt „Risikoprüfung“ geht es Alfred Beil darum, den richtigen Beitrag für den Kunden zu ermitteln. Demnach sollten Menschen mit einem erhöhten Risiko nicht in einen Normal-Tarif eingruppiert werden. Allerdings führe in der Lebensversicherung kein Weg am Prinzip der Informationsgleichheit zwischen Versicherer und Versichertem vorbei, weil die Kunden die Höhe der Prämie selbst bestimmen könnten. „Zum Zeitpunkt der Policierung muss Gleichheit bestehen“, sagte Beil. Andernfalls könnte die Situation entstehen, dass sich das Modell Lebensversicherung nicht mehr lohne.
Der Mediziner Alfred Beil glaubt allerdings nicht, dass der medizinische Fortschritt zur Unversicherbarkeit von Risiken führe, weil man heutzutage „viel mehr versichern“ könne, als noch vor zwanzig, zehn oder fünf Jahren. Das ermöglichten einerseits die gestiegenen Behandlungsmöglichkeiten und andererseits der große Wissenszuwachs. Vor zwanzig Jahren war es Fakt, dass ein Patient nach einem Herzinfarkt keine Lebensversicherung mehr abschließen konnte. Heutzutage würde man ihm lediglich einen geringen finanziellen Zuschlag abverlangen, denn stehe auch ihm der Abschluss einer Lebensversicherung offen.
Continentale-Vorstand Marcus Kremer wies darauf hin, dass man sich jetzt gegen Dinge versichern könne, deren Eintritt unsicher ist. Sollte sich das einseitig auf der Kundenseite verändern, würde das das originäre Versicherungsprinzip in Frage stellen. Kremer verglich das mit der Versicherung eines brennenden Hauses. Kremer sieht hier ein spürbares Problem auf die Branche zukommen. Deshalb dürfe die Risikobestimmung auch nicht zu kleinteilig werden, wo dann jeder nach seinem persönlichen Risiko versichert würde. Auch das würde bedeuten, dass das Versicherungsprinzip aufgegeben wird.
„Wenn es dazu kommt, dass der Kunde für wenig Geld durch Gentest Krankheiten vorhersehen kann, müssen wir Zugang zu den Ergebnissen haben“, schaltete sich Helmut Hofmeier ein. Bei dieser Frage sah Hofmeier den Gesetzgeber in der Pflicht. Auf jeden Fall könnten die Versicherer umso besser tarifieren, je mehr medizinische Daten ihnen zugänglich sind. Hofmeier berichtete in diesem Zusammenhang von einem japanischen Lebensversicherer, der seinen Kunden auf die Prämie 20 Prozent Nachlass gewähre, wenn der Kunde ihm die Ergebnisse von Gentests zur Verfügung stellt. Das allerdings wäre hierzulande und in der gesamten EU kaum vorstellbar.
An andere Stelle der Diskussionsrunden wurde schließlich die Bürgerversicherung thematisiert. Hier klinkte sich der Politiker und Rechtsanwalt Wolfgang Bosbach ein. Anders als andere Mitglieder des Bundestages richtete er sich gegen die alles gleichmachende Versicherungslösung. Es werde immer so getan, als ob durch die Bürgerversicherung alle Probleme – so auch beispielsweise die Problematik der langen Wartezeiten in den Arztpraxen ausgehebelt würden, doch das sei ein Trugschluss.
Als der Wettbewerb zwischen GKV (Gesetzliche Krankenkassen) und PKV (Private Krankenversicherung) thematisiert wurde, meldete sich Ärztekammer-Präsident Prof. Frank Ulrich Montgomery (im Foto links) mit einem klaren Bekenntnis zum dualen Gesundheitssystem zu Wort. Für ihn ist dieser Wettbewerb eines der konstitutiven Elemente im Gesundheitssystem hierzulande. Dieser Argumentation schloss sich Marcus Kremer an. Er sagte, dass er im Wettbewerb zwischen GKV und PKV den Treiber für die Steigerung des Versorgungsniveaus sieht. Die Bürgerversicherung müsse man jetzt endgültig abhaken und auf wichtige Zukunftsthemen schwenken, zu denen er die Medizintechnik zählt. Nur mit der digitalen Medizin und ihren Chancen sowie Herausforderungen könne man das bereits sehr hohe Versorgungsniveau in Deutschland nachhaltig weiter verbessern.
Dem pflichtete auch Dr. Florian Reuther bei, der die Rechtsabteilung des PKV-Verbandes leitet. Reuther sprach über das exzellente deutsche Gesundheitswesen. Reuther betonte, dass man beispielsweise die Wahlfreiheit im Gegensatz zur Bürgerversicherung gar nicht hoch genug schätzen könne. Diese Freiheit dürfe nicht verloren gehen genauso wie die Gerechtigkeit, die man auch über Generationen hinweg sichern müsse.
Die Diskussionsrunden fanden großen Beifall im gut gefüllten großen Saal des Kölner Gürzenich. Übrigens hatte die Continentale mit Tanja Samrotzki eine neue Moderatorin für das PKV-Forum gefunden, nachdem sich der bisherige Moderator, Wirtschaftsjournalist Michael Opoczynski, in den Ruhestand verabschiedet hatte. (eb-db / Fotos © Continentale/Ruppert Warren / www.bocquel-news.de)
Achtung Copyright: Die Inhalte von bocquel-news.de sind nach dem Urheberrecht für journalistische Texte geschützt. Die Artikel sind ausschließlich zur persönlichen Lektüre und Information bestimmt. Abdrucke und Weiterverwendung - beispielsweise zum kommerziellen Gebrauch auf einer anderen Homepage / Website oder Druckstücken - sind nur nach persönlicher Rücksprache mit der Redaktion (info@bocquel-news.de) gestattet.